52 Die beiden Frauen hatten bisher schweigsam und still an der Türe ge¬ standen, es herrschte eine gar strenge Zucht in dem alten Patrizierhause, und selbst die Ehefrau beugte sich schon um des Beispiels halber stets dem Willen des Mannes; nicht ganz so die Tochter □ Ihr blitzte aus den dunklen Augen etwas von dem Geist des Vaters, und die scharfgeschwungenen Brauen kündeten Willenskraft an, während um den fri¬ schen lieblichen Mund wohl ab und zu Sie ein trotziger Zug spielen konnte. war es jetzt auch, die dem strengen Vater ins Wort fiel. „Vater,“ warf sie ein, „Ihr ver¬ geßt —“ „Schweige, wenn ich zu dir spreche, oder hast du schon alle Ehrerbietung ver¬ gessen, die du deinen Eltern schuldig bist! War also heute, damit ihr's wißt, und damit besonders du, Frau, die ge¬ Tochter in Zukunft besser hütest, ein ein wisser v. Scharffenstein bei mir 8nicht schmucker Rittersmann, wie ich mein leugnen will — und begehrte dich mit Kind, von mir zur Ehe. Sprach un¬ da allerlei von Liebe und ließ nicht Zu¬ deutlich durchblicken, daß er deiner will stimmung, Margaret, sicher sei. Da was ich dich nun zuerst fragen, ob und daran Wahres ist, nicht etwa, weil das meine Entscheidung ändern könnte, son¬ dern nur, weil ich denn doch wissen möchte, ob meine Tochter so aller Sitte und Ehrsamkeit Hohn sprechen kann, daß so sie nach dem Willen ihres Vaters in ernster Sache gar nicht fragt? Also rede! Das junge Mädchen blickte ihn klar an. „Weil Ihr's denn begehrt zu wissen: ja, ich liebe den Herrn Ritter; aber nicht mit Worten habe ich es ihm ge¬ sagt, wie er es mir auch nicht also kund tat. „Wo sahst du ihn denn zum ersten¬ mal? „Im Dom, Vater. Es war vor vier¬ zehn Tagen etwa, am Tage des heiligen Cyriacus, da ich meine Andacht vor dem Hochaltar verrichtete. Als wir aus dem Dom herausschritten, er wenige Schritte vor mir, da kam über die Gasse ein Reitertrupp gesprengt, in tollem Lauf gerad auf ein Kind los, das auf dem Platze spielte. Wir alle, die Mutter war auch dabei, standen starr vor Schrecken Da plötzlich warf er sich im letzten Augenblicke mitten zwischen die Reiter und, das Kindlein mit seinem Leibe schützend griff er mit kräftiger Hand dem nächsten Roß in die Zügel und drängte es mit Gefahr des Lebens mäch¬ tig zur Seite. Der Ratsherr blieb vor der Tochter stehen. „Es war ein braver Streich, ich hab' davon erzählen hören, der König selbst hat ihn nachher belobt. Aber er¬ zähl' weiter.“ „Und wie nun die Gefahr vorüber war und die Menschenmenge den Retter umringte, da fiel sein Auge auf mich Herr Vater, und ich leugne es nicht uns beiden stieg zugleich das Blut ins Gesicht, also daß wir es kaum zu bergen wußten. So war's zum erstenmal. Dann sah ich ihn bei dem Geschlechtertanz im Ratssaal, wo Ihr mir erlaubt hattet hinzugehen, und er mir sagte, daß er ein armer Reitersmann sei, der nichts sein nenne als ein altes Schloß, und endlich sah ich ihn noch einigemal auf der Straße, wenn er an unseren Fen Herr stern vorbeiritt. Das ist alles, Vater. Eure Tochter hat keine Urache, darüber zu erröten!“ chon Der stolze Stadtkämmerer schien zu einigermaßen besänftigt geweser sein sein, die letzten Worte brachten heißes Blut aber wieder in Wallung „Es ist nicht Sitte in unserem Hause in gewesen, so lange der Name Velten zu dem Geschlechterbuch von Worms ihr Ehren steht, daß unsere Tochter Herz ohne den Willen ihrer Eltern ver¬ so schenken, und dabei soll es bleiben, lange ich lebe. Am wenigsten aber will ich mein Kind solch ritterlichem Hunger¬ leider geben, sondern sie soll die Ehe¬ frau eines ehrsamen Kaufherrn werden wie ihr Vater und dessen Väter seit Jahrhunderten waren. Das habe ich dem
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