Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

Kornblumen hinhielt, den er auf dem Wege für sie gepflückt. Eine tiefe Röte schoß dem Mädchen in die Wangen; es wollte antworten und konnte nicht. Da am der alte, böse Trotz mit einem Male über sie und nahm Besitz von ihr: „I mog nit deine Buschen und i mog di net, lasch mi in Ruh.“ Mit diesen Worten stand sie auf und schritt ins Haus, den verblüfften Peter am Zaune tehen lassend. Das war zu viel für den Peter. Mit einer Verwünschung schleu¬ derte er den Buschen über den Zaun und chritt stolz, ohne nach rechts und links zu blicken, durch den Hof, zu der Muhme. Die beiden sahen sich nicht mehr an; es war wohl aus mit ihnen; sie ging mit dem Schmied=Hans, hieß es im Dorfe, und er tanzte nur noch mit der blonden Margarete, die so hochmütig und spöttisch auf Lieslott herabschaute. So standen die Sachen, als der Sieb¬ ziger Krieg ausbrach, der Krieg mit Frankreich, an dem ganz Deutschland teilnahm, auch sein württembergisches Vaterland. Galt es doch, den Erbfeind zu besiegen, und sie besiegten ihn, Deutschland brauchte nicht mehr für seinen Rhein zu fürchten: Lieb' Vater¬ land, magst ruhig sein, fest steht und treu die Wacht am Rhein. Peter hatte in der Schlacht bei Gravelotte seinem Hauptmann das Leben gerettet, indem er einen für diesen bestimmten Säbelhieb auffing, war aber selbst dabei schwer verwundet und auf seine Bitte nach seinem schwäbischen Heimatsdorf zur Muhme transportiert worden. Der Hauptmann hatte für die Erfüllung dieses Wunsches gesorgt. Da lag er nun auf seinem Schmerzenslager; er litt viel, doch leuchteten die Augen wunderbar, denn ein geliebtes Schwarzköpferl pflegte und hegte ihn mit der Muhme der Ge¬ nesung entgegen. „Peterle, mei Peterle, mit diesen Worten war sie an seinem Lager niedergesunken, als sie, von der Muhme geholt, ihn zum erstenmal sehen durfte. Der Peter hatte dringend nach ihr verlangt. Und als er mit leiser 37 Stimme fragte: „Liebst mich halt noch was, Lieslott?“ da umarmte sie ihn an chluchzend und drückte ihr Köpfchen ge¬ seine Brust. „I hab di halt immer liebt, mei Peterle, und di nimmer ver¬ gesse g’habt.“ Der Friede war geschlossen, die Truppen in die Heimat zurückgekehrt. Es war der 2. September, man feierte den 1. Jahrestag der Einnahme Sedans. Goldig war die Sonne über dem schwä¬ bischen Dörflein aufgegangen; in Wald und Garten spann der Altweiber¬ zu sommer die zarten Fäden von Baum Baum, von Strauch zu Strauch, der wilde Wein rankte sich in herrlich roter Farbe am Bauernhaus empor, die Bäume des Gartens leuchteten in wunderbaren Farbentönen — es war Herbst, der Wind ging über die Stop¬ peln. Auf dem Bauernhof war reges Leben; der Peter und die Lieslott feierten heute ihre Hochzeit. Der Brautzug hatte ich eben zum Gang in die festlich ge¬ schmückte Kirche geordnet, voran der Peter und die Lieslott in der kleidsamen schwäbischen Tracht, denn der Peter hatte seinen Abschied genommen, hinter ihnen der Vater Hollack mit der Muhme, dann der Schmied=Hans mit der blonden Margarete u. s. w. Eben wollte die Musik einsetzen, als ein Wagen vor der Türe hielt, dem ein stattlicher Militär entstieg. Es war der Hauptmann, dem der Peter das Leben gerettet. Schon vor einigen Tagen hatte er ein schönes Hoch¬ zeitsgeschenk geschickt, jetzt war er noch selbst gekommen, um an Peters Hochzeit teilzunehmen. Er schritt auf das glück¬ liche Brautpaar zu, und nachdem er dem hocherfreuten Peter das Eiserne Kreuz an die Brust befestigt, wandte er sich lächelnd an die errötende, tiefneigende Braut: „Ei, seht doch, Jungfer Lieslott, habt Ihr Euch doch noch entschlossen, einen „Preusch“ zu heiraten? Was?“ fragte er lachend, denn der Peter hatte hm, nachdem der Hauptmann viel aus dessen Fieberphantasien in den ersten Tagen der Verwundung erfahren, von einem Kummer und der Weigerung der

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