Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

36 sich der Peter plötzlich losriß und meinte, er müsse zur Muhme gehen. Seit dieser Zeit sahen sich die beiden jungen Leute oft, denn die Muhme wohnte nicht weit vom Hof. Sie gewannen sich lieb, der Vater Hollack hatte nichts dagegen machte sich nur aus, daß der Peter seinen Abschied nehmen und zu ihm in den Hof kommen müßte, um die Bauern¬ wirtschaft zu erlernen, denn sein Eidam sollte einst den Hof übernehmen, da er leinen Sohn hatte. Da kam das Jahr 1866, die Mobilisierung. Wie ein Donnerschlag traf es auch das kleine Dörfchen. Wie überall in Deutschland, waren die Gemüter auch hier sehr erregt und gegen Preußen, und man hörte manches Kraftwort gegen diesen Staat; nur wenn der Peter dabei war, nahm man sich in Acht, denn er war preu¬ ßischer Soldat und ließ nichts auf seinen König kommen. Von den Dorfbewoh¬ nern verstand vielleicht nur der alte Hollack seine Gesinnung, daß er jetzt un¬ möglich seinen Abschied nehmen konnte, und daß er durch seinen Fahneneid ge¬ zwungen sei, an dem Bruderkriege an dem Krieg auch gegen seine Landsleute teilzunehmen, denn ganz Deutschland stand wider Preußen. Die Lieslott war „ außer sich und erklarte ihm kurz und bündig, daß sie ihn nie und nimmer heiraten würde, wenn er an diesem chrecklichen Kriege teilnehme. Der Krieg war vorbei; der junge preu¬ ßische Aar hatte seine Flügel entfaltet. Peter hatte wacker gekämpft und war in seine brandenburgische Garnison zurück¬ gekehrt. Drei Jahre waren vergangen. Peter hätte wohl schon längst seinen Ab¬ chied genommen, um in seinem Hei¬ matsdörfchen, nach welchem ihn eine mächtige Sehnsucht zog, als Knecht beim Vater Hollack einzutreten und dann sein Eidam zu werden, aber die Lieslott hatte keinen seiner Briefe beantwortet. Er hatte oft geschrieben, gebeten, um¬ sonst. Da schrieb ihm die Muhme, er solle sich keine Hoffnung mehr machen, die Lieslott würde wohl den Hans, den Sohn des Schmiedes, heiraten. Es hieße im ganzen Dorfe ja, sie sträube sich noch, der Vater wünsche aber durchaus, daß sie heirate, und da sie den Peter durchaus nicht wolle, so könnte es ein anderer sein. Das traf den Peter wie ein Donnerschlag — seine Lieslott, sein Schwarzköpfchen, eines anderen Weib? Er nahm Urlaub; denn aus Lieslotts eigenem Munde wollte er es hören, daß sie ihn nicht mehr liebe und nicht wolle, weil er als Soldat seine Pflicht getan. Es war im Frühjahr, überall fing es an zu grünen, die jungen Halme schossen aus dem Boden, an den Eichen guckten die zarten, hellgrünen Mützchen hervor, die Erlen am Bache schmückten sich mit frischem Grün und dort am Bach stand die Lieslott mit den Mägden „ des Hofes, bei der Wasche beschäftigt. Das Mädel war noch schöner geworden, reifer, voller, nur lag ein Schein von 931“ Brasse auf dem sonst so frischen Gesicht. Sie hatte tüchtig mit zugegriffen, denn es gab viel zu tun, lag doch seit dem Tode der guten Mutter die ganze Wirt¬ schaft auf den jungen Schultern; außer¬ dem wußte sie, daß, nächst einem andäch¬ tigen Gebetlein, nichts so sehr den Her¬ zenskummer mildert wie Arbeit, und sie hatte Herzenskummer, die Lieslott, liebte sie doch ihren Peter noch wie vor, der Trotz erlaubte ihr aber nicht, nachzu¬ geben, und nun kam neuer Kummer hinzu, der Vater verlange, sie solle den Schmied=Hans heiraten, und sie mochte ihn nicht, niemand, niemand, nur den Peter. Gedankenvoll schritt sie durch die Wiesen dem Hofe zu; mechanisch pflückte sie eine große Sternblume und in der Nähe des Hofes setzte sie sich auf eine Bank hinter den Zaun und pflückte: Er liebt mi, er liebt mi net, so fort bis zum letzten Blättlein. „Er liebt mi,“ jubelte sie und sehnsuchtsvoll streckte sie die Arme aus. „Lieslott, geliebte Lieslott, grüß Gott, klang es da hinter dem Zaun, sie fuhr mit dem Kopf herum; da stand er wahrhaftig, der Peter, wie er leibte und lebte, vor ihr und sah sie mit den treuen Augen so glückselig an, indem er ihr über den Zaun einen Buschen

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