Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

18 druck freudigen Erkennens über die blei¬ chen, eigentümlich veränderten Züge. „Du bist es, Fritz! Ja, mich hat Peter chön zugerichtet! Hättest du ihn doch totgeschlagen, damals, du weißt wohl — ich sagt' es dir ja, du möchtest noch es tun!“ Peter?“ fragte Fritz, der sein Blut erstarren fühlte. „Ich dachte, du wärest gefallen, Tönjes?“ „Nein, Peter hat mich im Stall mit dem Kopf gegen die Mauer gestoßen —. davon Lise war auch noch dabei schmerzte mich der Kopf so furchtbar und er hat ja auch wohl geblutet? Seine Hand griff bei diesen Worten nach den Bandagen am Hinterkopfe. „Halloh! Was ist das?“ ließ sich halb¬ laut der Wärter vernehmen. „Das wird ja ein Kriminalfall! Jentzen, bleiben Sie einen Augenblick hier, ich muß nur rasch den Doktor holen, sonst heißt's nachher vor Gericht, das wären Fieberphanta¬ sien gewesen. Damit eilte er, so schnell ihn nur seine Füße trugen, zur Tür hinaus und nach dem Seitenflügel, in welchem der Arzt eine Wohnung hatte, während Fritz, dem allein alle Glieder vor Entsetzen bebten an dem Krankenbette zurückblieb. Tön¬ jes schwieg jetzt und der junge Mann wagte nicht, ihn auch nur zu einer ein¬ zigen Aeußerung zu veranlassen. Ob längere oder kürzere Zeit verging, hätte er nicht zu sagen gewußt, aber mit einem Gefühle unendlicher Erleichterung sah er zuletzt den Arzt in der Begleitung des Wärters eintreten. Die beiden stellten sich an das Kopf¬ ende des Bettes, so daß der Kranke sie nicht sehen konnte. Auf dem Gesicht des Wärters lag ein Ausdruck brennender Neugier, die des Arztes war tiefernst. „Fragen Sie ihn weiter!“ sagte der letztere leise, aber entschiedenen Tones zu Fritz. „Also Peter, sagst du, hat es wirklich getan?“ nahm dieser die Unterredung wieder auf. „Ja Peter!“ wiederholte Tönjes völlig vernehmlich. „Wie kam es denn, daß er so wütend auf dich wurde?“ forschte Fritz auf den aufmunternden Blick des Arztes weiter „Das weiß ich nicht genau. Oder ja ich weiß es doch! Ich sagte Lise, sie möchte mir Mehl und Honig geben, weil ich die jungen Katzen vergiften wollte wir hatten so viele — und Lise sagte, wie ich so dumm sein könnte, zu glau¬ ben, daß die Katzen davon stürben. Au er hatte einmal kam Peter angestürzt — an der Hoftür draußen gestanden, so daß ich ihn nicht sehen konnte — und schrie wie besessen, ich hätte ihn ausspioniert und ihn verraten, und dann packte er mich und stieß mich in einem fort mit dem Kopfe gegen die Wand.“ Die Gesichter der Zuhörer kehrten sich, bleich vor Erregung, einander zu. Der Doktor zog eine Brieftasche hervor und begann hastig mit Bleistift einige No¬ tizen zu machen. Den vollen Zusammenhang des soeben Vernommenen begriff freilich nur einer Fritz! „Nachher bin ich, glaube ich, ohnmäch¬ tig geworden“, hob Tönjes wieder an; „und wo bin ich jetzt eigentlich?“ „Lieg nur ganz still!“ mahnte Fritz, „wir haben dich in eine andere Kammer getragen, deine war so eng. „Und so kalt!“ sagte der arme Bursch. „Hier ist's viel schöner!“ Damit drehte er den Kopf etwas nach der Seite hin und verfiel wieder in sich Schlaf. Die drei Männer entfernten leise aus dem Gemache. Draußen auf dem Korridor sagte der Arzt: „Was wir soeben vernommen haben, halte ich mich nun verpflichtet, dem Staatsanwalt sofort zur Anzeige zu bringen. Wenn mir auch der Zusammen¬ hang noch unklar ist, so viel steht doch fest, daß hier zum allermindesten eine Tat unerhörter Roheit vorliegt, die ihrer Bestrafung nicht entgehen darf. Nachdem der Wärter noch einige Ver¬ haltungsbefehle, sowie die Mahnung zu trenger Verschwiegenheit empfangen hatte und wieder auf seinen Posten in das Krankenzimmer zurückgekehrt war, sagte

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