geäußert, allein Fritzens alte Mutter hatte die Tatsache kummervoll einer Nachbarin geklagt. Was es eigentlich zwischen den beiden gegeben habe, wisse ie nicht, aber ihr Fritz sei auf einmal voll Erbitterung gegen das Mädchen. selbst habe immer so große Stücke Sie auf letzteres gehalten, daß sie sich gar nicht darein finden könne, Dore nun auf einmal nicht mehr als ihre Schwieger¬ tochter betrachten zu sollen. Wer dagegen mit innigem Behagen von der veränderten Lage der Dinge erfuhr, das war der Vetter, bei welchem Dore lebte und der, wie die Leute im Dorfe bemerken wollten, auf einmal anfing, ganz merkwürdig viel Wert auf sein Aeußeres zu legen. Nicht nur, daß er, was sonst höchstens alle Wochen einmal geschehen war, sich jetzt sorgfältig alle zwei bis drei Tage die grauen Bartstoppeln abrasierte; man wußte auch, daß er damit umging, sich einen neuen langschößigen blauen „Kirch¬ gangsrock“ anzuschaffen, nur war das Tuch, welches der einzige Kaufmann des ganzen Dorfes vorrätig hielt, ihm bei weitem nicht fein genug und er gab Auf¬ trag, ihm eines von allerfeinster Sorte zu verschreiben. Es konnte nicht fehlen, daß sich an solche Tatsachen allerhand spottende und neckende Bemerkungen knüpften, daß Hermann Johanning, dies war des Vet¬ ters Name, sich „verändern“, d. h. ver¬ heiraten wolle. Im Kruge ward er fast tagtäglich gefragt, ob denn die Sache noch nicht bald vor sich gehen werde? Er hörte solche Fragen, obschon er sie nicht direkt beantwortete, augenscheinlich nicht ungern, und wenn man geradezu Dorens Namen mit dem seinigen in Ver¬ bindung brachte, so hatte er darauf nur ein verheißungsvolles Augenzwinkern. Nur eine wußte von all diesen Gerüchten und Anspielungen nichts und das war Dore selbst. Seit jenem Tage, an wel¬ chem Fritz sie von sich gewiesen und sich im Zorn von ihr getrennt hatte, war des Mädchens Wesen wie verwandelt worden. Zwar besorgte sie ihre Arbeit nach wie 15 vor und führte den Haushalt mit der¬ selben Pünktlichkeit und Umsicht wie onst, aber ihre Heiterkeit, ihr frischer Lebensmut waren von ihr genommen und ihre Augen hätten einem aufmerk¬ samen Beobachter von vielen heimlich vergossenen Tränen erzählen können. Das alles aber machte den Vetter durchaus nicht irre; derselbe pflegte vielmehr bei jeder Gelegenheit zu versichern, „solche“ er meinte damit Mädchen, welche schon einmal einen Liebeskummer zu überwin¬ den gehabt — wären es gerade, die später die allerbesten Hausfrauen ab¬ gäben. Inzwischen war der Winter ins Land gezogen und hatte das stille Dorf nur noch stiller und weltabgeschlossener ge¬ macht. Was irgendwo in einem der gleichförmigen Häuser den geregelten, Gang des täglichen Lebens unterbrach, das ward alsbald als ein förmliches Er¬ eignis zum Gemeingut des ganzen Dorfes gemacht. So wußte man denn auch, daß die alten Jentzens ihren Fritz für zwei oder drei Tage auf Urlaub erwarteten. Am Tage vor Weihnachten kam jedoch Mutter Jentzen, die Augen mit der Schürze oft¬ mals trocknend, zu ihrer Nachbarin, um ihr zu klagen, daß es aus sei mit dieser Freude. Fritz müsse sich wohl erkältet haben, denn er habe einen sehr schreck¬ lichen Rheumatismus in allen Gliedern und sei nach dem Hospital gebracht wor¬ den. Von da aus habe er einige Worte geschrieben, mit Bleistift nur, und es habe ihnen viel Mühe gemacht, den Brief zu lesen — daß sie für ihre Person auch den bestgeschriebenen Brief vergebens zu enträtseln versucht haben würde, sagte die gute Mutter Jentzen nicht — und das ei ein Zeichen, wie arg die Schmerzen gewesen sein müßten, denn Fritz könne onst gerade so gut schreiben wie ein Schulmeister. Die Nachbarin sprach ihr lebhaftes Bedauern aus über das „Mal¬ heur“, das den armen Jungen betroffen habe, wußte aber sofort eine ganze Menge von Fällen, wie Leute elend am Rheuma¬ tismus daniedergelegen hätten, aber
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