10 Sie bemerkte nicht in ihrer Angst, daß sich schon vor einer geraumen Weile die Türe geöffnet hatte und daß zwei Män¬ ner sie mit eigentümlichen Blicken betrach¬ teten. Erst als der eine, der jüngere im braunen Lederrock, leise ihren Namen nannte, wandte sie sich herum, um im nächsten Augenblick mit dem Jubelruf: „Reliko, mein guter Reliko!“ auf ihn zu¬ zustürzen. Des Knaben braune Augen schimmer¬ ten sie freundlich an, lächelnd ließ er sich ihre Liebkosungen gefallen. „Bin ich, Reliko, doch kommen zu Euch. — Und hier dieser“ er wies auf seinen Begleiter, einen hohen, stattlichen Kriegs¬ mann in silberblinkender Rüstung „hier dieser ist „Schweig!“ unterbrach ihn der Fremde schnell. „Schweig, Knabe! Ich möchte vor dieser Jungfrau hier weiter nichts sein als ein guter Bote, der ihr verkündet, daß ie von den Böhmen weder für ihr Leben noch für sonst etwas zu fürchten hat. Alharde schaute jetzt erst dem Manne ins Gesicht. Er glich in vielem dem Bilde, das sie sich nach Helays Schilderungen von dem kühnen Przemysliden gemacht. Blond war er und der Blick seiner Augen so leuchtend, daß sie die ihren niederschla¬ gen mußte. „König Ottokar!“ stammelte sie, sich zitternd verneigend. „Ei, wie wißt Ihr — wer hat Euch, Jungfrau, so Genaues von mir gesagt, —Doch nicht daß Ihr mich erkennt? — Wäre er der stets mein Kleiner? Schweigsame, Eurer schönen Augen wegen auf einmal zum Schwätzer ge¬ worden?— Sprich, Reliko!“ ∆ „Ich ihr haben nichts sagt“, flüsterte — Ein Reliko, den Kopf schüttelnd. leiser Schatten war auf sein Gesicht ge¬ fallen. „Wer mich bewogen hat,“ fuhr der hohe Fremde fort, „von dem Heereswege ab¬ zuweichen und Euch zu sehen, ist, wie Ihr leicht erraten mögt, kein anderer, als Reliko. Er sagte mir, was alles er Euch zu danken hat. Und weil ich den Kleinen liebe, so ist seine Dankespflicht auch die meine. Nehmt die Versicherung, schöne Maid, daß ich Euch nie vergessen werde, was Ihr ihm getan. Wieder verneigte sich Alharde tief, dies¬ mal wohl mehr, um die Glut zu verber¬ gen, die ihr Antlitz jäh überzog. Eine Be¬ fangenheit, wie sie nie solche gefühlt, be¬ mächtigte sich ihrer unter den wohl¬ gefällig auf ihr ruhenden Blicken des Königs. Sie vermochte kein Wort zu sprechen. Auch in Relikos Wangen stieg eine dunkle Röte auf, während er die beiden sich schweigend Gegenüberstehenden be¬ trachtete. Plötzlich wandte er sich ab und trat ans Fenster. „Leute unsere kommen viel“, stieß er nach einer kleinen Weile scharf hervor. C „Ja!“ rief Ottokar, sich ermannend. „Ich versprach ihnen, für ein Mahl zu sorgen, wenn so viel Lebensmittel hier überhaupt noch vorhanden wären. Die Soldaten, welche uns das Tor öffneten, — Auch Ihr, vielgute verneinten dies. — Nun denn, so sage allen, Jungfrau? Reliko, daß sie ihre hungrigen Mägen ver¬ trösten sollen, bis wir nach Passau kom¬ men. Uns beiden aber werdet Ihr gewiß einen Bissen Brot nebst klarem Trunk nicht verweigern?“ „Mein hoher Herr und König, Ihr wißt, daß ich glücklich bin, Euch bewirten zu dürfen“ antwortete Alharde froh¬ bewegt. „Was dieses Schloß birgt, ist Euer. Verfügt, ich bitte Euch von Her¬ zen, über alles. „Ach, uns ist ja nur eine kleine Stunde — Die Leute sollen der Rast vergönnt. sich indes zum Weiterziehen sammeln. Hurtig, Reliko!“ Reliko ging, nicht ohne vorher einen rätselhaften, brennenden Blick auf die beiden zu werfen. Mit so viel Vergnügen hatte die alte Seiboltin wohl noch niemals ihr Bestes aus Küche und Keller hergegeben, wie heute. Es war erstaunlich, was sie nach dem notgedrungenen Fasten der letzten Tage noch alles aus dem Dunkel der Kammern zutage förderte. Gunthelm trug
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