Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1906

6 Leichten Schrittes betrat sie den großen gewölbten Saal, in welchem an langer Tafel der Kalch und seine Gäste saßen, nebst einer kleinen Schar von Rei¬ sigen, die zur Begleitung der Gäste be¬ □ stimmt waren. Ihr heiteres Lächeln ent¬ waffnete des Vaters Unmut über ihr langes Fernebleiben fast gänzlich und er — forderte sie nur auf allerdings in Ton 20 einem ziemlich polternden an seiner Seite niederzusitzen. „Das ist meine Tochter“, sagte er dann zu den Fremden, die in ihrer Weise höf¬ lich grüßten. „Der siebengescheiten Schreierin da habt ihr's zu verdanken, daß ich euch nicht aufhängen ließ. Für¬ wahr, ich hätte, wenn sie nicht gewesen wäre, ohne viel Faxen einen Narren¬ — Gras streich sondergleichen begangen. darüber, meine Herren! — Wollen wir zum Abschied noch eins trinken auf das Wohl eures Königs Ottokar und auf das unseres Fürstbischofs Otto von Passau, dessen Lehensträger der Böhmen¬ könig ist.“ Er erhob einen der von Gunthelm eben risch gefüllten Zinnkrüge, stieß mit den Umsitzenden an und trank, worauf er Al¬ harde bedeutete, ein gleiches zu tun. Sie folgte der Weisung ohne jegliche Befan¬ genheit mit einem freundlichen Lächeln. „Walte Gott, daß des Böhmenkönigs Kriegsscharen kein minder gutes Anden¬ ken hier hinterlassen als wie ihr!“ sagte sie. Und als sich einige Minuten später die Fremden zum Aufbruch rüsteten reichte sie ihnen noch die Hand. „Lebt wohl, ihr Männer, reiset glück¬ lich! Um euren jungen Kameraden hier braucht ihr nicht in Sorge sein, wir wer¬ den ihn bis zu eurer Rückkehr als lieben Freund behandeln. „Wohl, schönes Fräulein, Reliko und wir Euch das sehr danken. Reliko lieb *) Schon Fürstbischof Berthold, Ottos Vor¬ gänger, hatte die bedeutenden passauischen Lehen in Oesterreich, welche ihm durch den Tod Friedrichs des Streitbaren zugefallen waren, dem neuen Herzog Ottokar verliehen, gegen Erlag einer Summe von 3000 Mark Silber (Erhards Geschichte von Passau.) sein bei Ottokar.“ Sie redeten mit dem Knaben noch eine Weile in ihrer Sprache umarmten und küßten ihn und gingen dann, begleitet von Kalch und seinen Leuten, hinaus. Im Hofe wurden ihnen ihre Waffen und ihr Gepäck überreicht und die Pferde gesattelt vorgeführt. Noch ein letztes Zu¬ rückwinken auf Reliko, der am Fenster stand, dann sprengten sie, gefolgt von des Kalchs Reisigen, über die donnernd nie¬ derfallende Zugbrücke hinweg ins Freie „Und ich sein fangen?“ sagte Reliko sich zu Alharde umwendend und sie mit seinen eigenartig schimmernden Augen vorwurfsvoll anblickend. „Hier ich nicht lange bleiben will — lieber sterben. „Du darfst ja auch nicht lange hier bleiben“ erwiderte sie eifrig. „Nur bis deine Freunde zurückkehren oder bis zur Ankunft deines Herrn. Denn wir hoffen, daß du bei diesem Schonung erwirkst für uns und das Schloß. Das wirst du — doch, Reliko, nicht wahr?“ „Nur, wenn frei ich darf gehen heute jetzt sogleich. Ich ihm sagen gut für euch. Laßt mich denn fort!“ Er machte eine entsprechende Bewegung, die sie so sehr erschreckte, daß sie ihn am Arme packte und festhielt. „Was fällt dir ein, Reliko? — Du hast meinem Vater dein Wort gegeben, zu bleiben, auch keinen Fluchtversuch zu un¬ ternehmen. Du haftest mit deinem Leben für uns, mußt du wissen! Unser Ver¬ derben ist dein Tod.“ „Dein Vater sein ein — schlechter Hund! Ich ihn hassen, so —!“ Hier faßte er nach der Seite, an welcher bis heute sein Schwert gehangen, das ihm von den Burgknechten abgenommen worden war. „Sei stille, Bub, daß er dich nicht hört!“ wehrte sie ihm erblassend. „Es wäre schade um dich, junges Blut. Wie alt bist du wohl — kaum achtzehn? In seine samtartigen braunen Wan¬ gen ergoß sich bei dieser Frage jäh eine dunkle Röte. Seine Augen funkelten sie beleidigt an. C „Ich alt genug, daß ich hab blutig tot geschlagen schon viele Mann. Und ich

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