Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1906

2 hinaus und die Stiege hinab in den großen, kalten Flur. Die nach dem Hofe führende Türe war angelweit offen. Auf der Steintreppe davor stand der Kalch in eiserner Rüstung und einige Stufen unter ihm drei seltsam gekleidete fremde Män¬ ner, mit denen er redete. Es war aber kein Wort zu verstehen, weil die Burgknechte mit eigenen und fremden Pferden im Hofe lärmten wie unsinnig. Alharde konnte sich nicht enthalten, näher zu treten und die seltsamen Män¬ ner genauer zu besehen. Sie waren jung einer davon sogar noch sehr jung, fast ein Knabe. Seine zierliche, geschmeidige Figur war mit einem langen Lederrock bekleidet, den um die Mitte des Leibes ein breiter, mit Gold beschlagener Gürtel zu¬ be¬ sammenhielt. Die Füße waren wohl schuht und bis zu den Knien hinaufmit bunten Leinenstreifen umwickelt. Auf dem Kopfe trug der Knabe eine kleine Mütze, aus irgend einem feinhaarigen Tierbalg gefertigt. Zwei Federn, eine weiße und eine schwarze, schmückten dieselbe. Die anderen beiden Fremden hatten kriegs¬ mäßige Rüstung an, wie der Kalch. Nur hingen ihnen den Rücken hinab dunkle, zottige Tierfelle, deren um den Hals ge¬ schlungene Prankenteile mit Metallringen zusammengehalten waren. Die Männer schienen sehr aufgeregt und ließen Flüche in fremdartiger Sprache hören. „Sagt mir's doch deutsch, was mit — euch ist!“ schrie der Ritter wütend. „Laßt euch erst draußen fangen wie junge Wild¬ katzen und wißt euch jetzt nicht auszu¬ weisen. Wollt ihr nach Passau gehen und in des Bischofs Kerkerlöchern Ratzen jagen? — Oder wollt ihr weiter zu Her¬ zog Heinrich!) und ihm die Krallen an¬ bieten gegen Otto, unseren Fürsten? Ich pfeif' auf den einen wie auf den an¬ deren, bin der unabhängige Kalch von Fürsteneck und kann euch köpfen, wenn es mir gefällt. Tut drum eure Mäuler auf! 1) Herzog Heinrich von Niederbayern führte Fehde gegen den Fürstbischof Otto, welche schon zwischen den Vorgängern der beiden, Herzog Otto und Bischof Verthold, entstanden war. Oder könnt ihr überhaupt unsere Sprache nicht? Die Männer schüttelten trotzig den Kopf, der Knabe aber lächelte und heftete den Blick seiner dunklen, flinkrollenden Augen fest auf den Ritter. „Wir schon können reden die Sprach, ich! — Wir kommen von — über die — sehen. Berge her, voraus vielen König Ottokar von Böhmen — aber ich nichts sagen gern. — Dort!“ und er wies mit der Hand über die Burg hinweg nach dem Waldgebirge, „dort kommen — große Heerscharen, König Ottokar gut! Friedrich Kalch stieß bei dieser Mit¬ teilung einen dumpfen Ruf der Ueber¬ raschung aus. Sein Gesicht verzerrte sich, und ehe der fremde Knabe ausweichen konnte, sah er sich von des Alten eiserner Faust an der Brust gepackt. „König Ottokar mit einem Heer? Du, wenn du lügst, junger brauner Hund schmeiße ich dich auf die Steine, daß du nie mehr mucksen wirst!“ Und der Ra¬ sende versetzte wirklich dem Knaben einen solchen Stoß vor die Brust, daß derselbe, unvorbereitet wie er war, über die Stufen hinabflog. Die Begleiter des also Mißhandelten waren momentan starr, faßten sich aber bald und traten, blaß vor Wut, an den Ritter heran. „Nit gute das für dich, o Herr!“ riefen sie drohend; „Reliko sein groß vor Otto¬ kar König; wenn er sterben, dann du wir alle sterben. ollt ihr,“ schrie der „In den Turm — ihr! Heda Leute Kalch, „Lügenhunde sie weg! Wir wollen packt sie und schleppt ihren König Ottokar kommen lassen samt seinen Heerscharen.“ Die Burgknechte ließen die Pferde stehen und eilten herbei, um den Befehl ihres Herrn auszuführen. Schon hatten sie sich unter Geschrei und Gejohle der Fremden bemächtigt, da stürzte plötzlich Alharde vor und breitete abwehrend die Arme aus. „Haltet doch ein!“ rief sie überlaut vor Angst. „Bedenke doch, Vater, was du tust!

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