Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1906

112 neues schrieb. Er komponierte öfter am Wirtshaustisch, so das Ständchen „Horch, horch“ im Gasthause „Zum Biersack“. In Wien kam ich öfter zu einem Musikverleger, dessen ergrauter Geschäfts¬ ührer mir erzählte, Schubert habe dem Inhaber des Musikaliengeschäftes für die Erlaubnis, ihm mit einem Lineale eines heruntermessen zu dürfen, gleich im Ge¬ chäfte auf der noch damals vorhanden gewesenen Budel ein Lied komponiert. Mit Stolz darf man es sagen, daß an diesem mächtigen Schaffen, an dem Werden dieser echten Künstlernatur Ober¬ österreich und die Stadt Steyr einen wesentlichen, tiefgehenden Anteil hat. War schon Hofrat Freiherr von Spaun, der vom Knabenalter an in richtiger Er¬ enntnis der Genialität des Schullehrers¬ ohnes vom Lichtentale ihm ein verständ¬ nisvoll fördernder Freund war, ein geborner Linzer, so war der Hofopernsänger Joh. Michael Vogl, der Schuberts Ruhm durch Wiedergabe seiner Lieder begründet, am 10. August 1768 als Sohn eines Schiff¬ meisters in Steyr geboren (gestorben am 20. November 1840 in Wien, Hofopern¬ sänger 1794—1822). Er sang schon als Knabe in der Steyrer Stadtpfarrkirche, hatte eine herrliche Baritonstimme und hohe Vollendung des Vortrages, war aber dabei eine „stille, abgeschlossene Gelehrten¬ natur“ las während der Zwischenakte der Oper Aeschylus, Epictet, Marc Aurel, Calderon in der Ursprache und war bei Hof sowie in der Aristokratie gerne ge¬ sehen. Heinrich Kreißle erzählt in seiner Biographie Schuberts, daß Schober, Schuberts Freund, versuchte, Vogl mit Schubert bekannt zu machen, ersterer sich ablehnend verhielt, aber dann ein Be¬ wunderer Schuberts wurde, dessen Lieder mit Vorliebe sang und hiedurch bekannt machte. Die Lithographie Vogls von Kriehuber, die ich besitze, zeigt einen ernsten Denkerkopf. Er brachte Schubert nach Steyr, in der Eisenstadt wurden beide mit Begeisterung aufgenommen. Im Hause des hauptgewerkschaftlichen Vizefaktors Sylvester von Paumgartner, der ein leidenschaftlicher Musikfreund war und eine wertvolle Musikalien= und Instru¬ menten=Sammlung besaß, wurde gute Musik gepflegt. Da war Schubert ein will¬ kommener Gast, er widmete Paumgartner das sog. Forellenquintett op. 114, „eines einer blühendsten, sonnigsten Werke“ dessen Manuskript nach den Angaben Max Friedländers leider in Steyr vor wenigen Jahrzehnten verloren ging. Ebenso freund¬ liche Aufnahme fand Schubert bei dem am 15. Februar 1779 in Steyr geborenen und am 18. September 1864 verstorbenen Eisenhändler Josef von Koller, dessen von Schubert oft in Briefen erwähnte Tochter Josefine, „Pepi“, eine gute Klavierspielerin war und bei den Auf¬ führungen die Sopranpartie sang. Schubert wohnte während der ersten Besuche in Steyr bei dem Advokaten Dr. Albert Schellmann, geboren zu Stein¬ bach am 14. November 1759, gestorben am 14. März 1844 in dessen Hause am Stadtplatz Nr. 34 (jetzt Joh. Stalzer) der fünf Töchter hatte, von welchen Schubert in dem eingangs erwähnten Briefe spricht. Sein Sohn, Advokat Dr. A. Schellmann, geboren 1798, gestorben 1854, übernahm die Begleitung Schubert¬ scher Lieder am Klavier; beider Grab¬ chriften sind noch auf dem schönen Fried¬ hofe Steyrs zu sehen. Von großem Einfluß auf Schubert war auch ein anderer Steyrer, der Dichter Joh. Mayrhofer, am 3. November 1787 in der Eisenstadt geboren, Bücherrevisor in der k. k. Zensurbehörde, gestorben am 5. Februar 1836. Wie sehr Mayrhofer den Schubert geschätzt hatte, geht aus einem demselben gewidmeten Gedichte hervor, das folgende Zeilen enthält: Erst lag das Land verschleiert Im Nebel vor uns da — Du singst und Sonnen leuchten Und Frühling ist uns nah. Er besaß große Liebe zur Musik und Schubert hat 47 seiner Lieder in Musik gesetzt, die größte Zahl nächst Goethe unter den 85 Dichtern, von welchen Schubert Lieder für seine Kompositionen entnahm. Schon im Konvikte hatte Schubert Albert Stadler kennen gelernt, der 1794

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