Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1906

106 Auf einen Wink des Kyrissers trat nun der Page vor faltete das Tuch auseinander und überreichte dem Haus¬ herrn ein länglich gefaltetes, mit großem roten Siegel verschlossenes Schreiben, das Herr Wilhelm Gutbrod sich ver¬ beugend entgegennahm, wohl nur zum Scheine, das Siegel sich besah und dann zu dem Ueberbringer in würdigem Tone agte: „Viel Dank für Eure gehabte Müh' — ich und ganz besondere Freundlichkeit weiß bereits, daß Ihr zu diesem Boten¬ dienst nicht habt gezwungen werden können! Nochmals, seid hiefür bedankt! Jetzt aber wollt den Euch gebührenden — Ehrentrunk in meinem Hause tun meine liebwerte Hausfrau aber beklagt es tief, daß Ihr uns nicht Gelegenheit gabt, dem Trunk auch einen Imbiß hinzuzufügen!“ Schön=Adelheid nahm auch schon den goldenen, mit allerlei Figuren und Zieraten geschmückten Becher und wollte vor den Kyrisser hintreten, der aber wehrte wie bittend ab und meinte: „Schönen Dank, Euer Wohledlen, für Eure Gastfreundschaft —ich stehe hier als Bote des edlen Herrn Reichs¬ marschalls und der Stadt Regensburg —als solcher war ich wohl willkom¬ men und hätt' den Ehrentrunk gewiß nicht verschmäht! Ich bin aber nicht nur ein Bote, sondern auch ein Kyrisser in der kaiserlichen Majestät allerhöchstem Dienst, ein Mann also auch in Person für mich, und da ziemt es, daß ich darauf wohl achte, daß der Ehren¬ trunk, gereicht von so schöner Hand, so¬ wohl dem Reichsboten als auch dem Kyrisser selber gült! „Gewiß gült der Ehrentrunk dem Boten und Euch selber“, fiel dader Ratsherr hastig und baß erstaunt ein, „daß Ihr uns vorher nicht Euren Na¬ men habt kund getan und in so selt'ner Weis'“ —Herr Wilhelm Gutbrod sah in nicht mißzuverstehender Art herab auf den Sattel, auf dem der Kyrisser wie angewurzelt haftete— „den Boden meines Hauses meidet, tut Eurem Gastrecht keinen Abbruch, mag Euch hiezu verpflichten was immer Eure Sender haben mir gewiß nur einen Mann von — so Ehre gesandt, um mich zu ehren trinkt uns Bescheid zu, wohl bekomm es Euch!“ Fräulein Adelheid reichte, auf einen Blick ihres Vaters hin, dem Gast den Becher, der sich tief verneigend, nur etwas — sagte, das wie: „große Ehre wenn Ihr durchaus wollt“ oder so dergleichen klang, und öffnete im Aufrichten das Visier seines Helmes. — Fräulein Adelheid stieß einen Schrei aus und klirrend rollte der goldene Ehrenbecher auf dem Fußboden hin und der Wein färbte dessen lichtes Getäfel dunkel. Auch Frau Ludmilla tammelte ein leises: „Mein Himmel“ hervor und nur Herr Wilhelm Gutbrod blickte erst den Kyrisser verdutzt und sprach¬ los in das hübsche sonngebräunte Gesicht; rasch aber funkelten seine Augen gar zornig, eine Fäuste ballten sich und mit vor ver¬ haltenem Grimm fast heiserer Stimme uhr er den Kyrisser an: „Was soll das heißen, Junker Hans Fuchsberger? Weshalb der Firlefanz? Ihr durftet für mich kein Bote sein, das hättet Ihr uns ersparen können!“ „Hätt' es ja auch“, sagte Junker Hans, der Sohn von Herrn Martin Fux¬ erger vom Aichet=Schlössel draußen, wohl in sehr bescheidenem Ton, aber fest und ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken, konnt' aber dem edlen Herrn Reichs¬ marschall und den Regensburgern, als sie mich baten, ihr Sendbote bei Euer Wohledlen zu sein, nit sagen, ich tu diesen Ehrendienst nicht, da ich, als aus derer Sippe, so sich Fuxberger nennt, es nicht darf wagen, des wohledlen Herrn Wilhelm Gutbrods Haus zu betreten — hätt' sich nit geziemt, fremden Leuten unseren garstig Zank zu offenbaren, mußt daher den Botendienst, so auch mich nur ehrt, ohn Gegenrede übernehmen— hätt' ja auch ausgesehen wie Furcht von mir, Euch gegenüber zu treten, und Furcht kennt ein Kyrisser nicht, hab’ es oft genug bewiesen in des Kaisers Dienst!“ „Mag sein“, grollte der Kaufherr

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