Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1906

104 es soll nur auf mich und Adelheid — um alles besorgt werden. Bis morgen die Zeit ist die gute Stube droben frisch gescheuert und auch schon ganz im Glanz und ein Imbiß seltener Art bereit ist doch recht so?“ „Will's meinen“, lächelte Herr Wil¬ helm Gutbrod und rieb sich vergnügt die Hände, „wollen uns nicht spotten lassen hollah, was ist denn draußen los? Ein junger, bartloser Mann in feder¬ geschmücktem Barett, nur mit einem kurzen Schwert bewaffnet, eine Tartsche, worau ein Wappen gemalen war, am linken Arm, hatte sein leichtes, bewegliches Rößlein vor dem Tore des Gutbrodischen Hauses angehalten und etwas in den Flur hineingerufen, worauf ein Diener herbei¬ eilte und ein paar Fragen und Ant¬ worten ausgetauscht wurden zwischen dem Ankömmling und dem Diener. Herr Wilhelm wollte eben selbst nach¬ sehen, was es draußen gebe, aber da war der Reiter, der nun zu Fuß ganz so wie ein Page aussah, wie sie große Herren sich damals hielten, schon in der geöff¬ neten Tür des Kontors, grüßte, das Barett in der Rechten, mit feiner Ver¬ beugung erst die Damen, dann, etwas strammer, den Hausherrn und sagte ohne viel Wesens zu machen: „Mein Herr sendet mich voraus, dem wohledlen Ratsbürger und Kaufherrn Wilhelm Gutbrod seine unverzügliche Ankunft zu vermelden. Mein Herr will sich erlauben, ein Dankbriefel zu über¬ reichen, so er von des Kaisers Reichs¬ marschall aus Regensburg hieher zu be¬ sorgen erhalten — wollt' nur bitten, meinem Herrn hiezu ein klein wenig Zeit zu schenken, wollen dann weiters uns nicht mehr zu stören erlauben. Kann ich meinem Herrn vermelden, daß der wohl¬ edle Herr Wilhelm Gutbrod ihn er¬ wartet?“ Ei, ja, doch“, rief der jetzt sehr leb¬ haft, denn er war nicht sehr angenehm überrascht von dem Ueberfall, „seid ja schon vermeldet bei uns, wollten Euch geziemend Ehre erweisen, so Ihr aber wie ein Blitz aus heiterem Himmel da hereinfährt, müßt Ihr schon verzeihen, wann wir Euch nit so ehren, wie es sich ziemt— einen Labetrunk, nicht, Herr Page?“ Adelheid schenkte schon ein und reichte dem Pagen den Pokal und während dieser trank, blickte sie neugierig auf das Wappen auf der Tartsche. Plötzlich er¬ bleichte sie bis in die Lippen und ent¬ nahm mit leisem Zittern ihrer Hände den geleerten Pokal wieder dem Pagen, der sich wieder fein verbeugte und dann sagte: „Habt schönen Dank hiefür, wohl¬ edles Fräulein! „In einer halben Stunde sind wir da“ wandte der Page sich zu Herrn Wilhelm Gutbrod und draußen war er, und eben als sich der Kaufherr kopfschüttelnd ob solcher Eilfertigkeit zu seiner Frau wandte, verhallten die Hufschläge des Davon¬ reitenden draußen am Pflaster. „Sonderbare Eile“, brummte der Kaufherr nun, „also eilen wir auch, will nur ein besseres Wams anziehen und Barett und Schwert dazu nehmen, und du, Adelheid, richt' den alten Gutbrodi¬ chen Becher her zum Ehrentrunk, den wird der Ueberreicher des Dankbriefels wohl nicht verschmähen, so viel Eile er auch zu haben scheint! Und Herr Gutbrod geleitete seine etwas aufgeregte Hausfrau, die gar nicht mit solchem „ins Hausstürzen“ sich einverstehen mochte, durch den Flur die Treppe hin¬ auf in das Stockwerk. Fräulein Adelheid folgte ihren Eltern nur zögernd nach und ward dabei abwechselnd blaß und dann wieder sehr rot im Gesichtchen, rang ver¬ stohlen die Händchen und murmelte ganz leise, den Vorauseilenden daher unhörbar: „Das Wappen auf der Tartsche nein, ich kann mich nicht geirrt haben, ich kenne es zu gut — der Herr Vater hat's zum Glück gar nicht beachtet. Und als sie am Gange droben vor dem Bilde des hl. Rochus vorbeikam, um nach rückwärts in ihr Zimmer zu gehen und sich umzukleiden, sah sie zu dem Schutzpatron des Hauses gar ängstlich und bittend auf und sagte halblaut:

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2