Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1906

seine Gicht äußern wolle, sagte aber nichts und langte nach einem Sardellen¬ brötchen, während Adelheid behutsam aus dem Krüglein ein dunkles Bier in den Pokal goß und ihrem Vater das schäu¬ mende Getränk mit einem ehrerbietigen: „Wohl bekomm's, Herr Vater!“ hinreichte, der denn auch einen guten Zug tat und während Adelheid die Tasse auf ein Auf¬ warttischchen stellte, das neben dem Schreibtisch in der Ecke bei der Tür stand, zu seiner Frau, auf das Glasbild vor ihm weisend, sagte: „Da sieh, Ludmilla, der Maler hat grad vorher dein Votivbild für die obere Kapelle!) gesandt; besieh dir's nur ge¬ nau und sag', ob dir's recht ist so, dann wollen wir es dem Herrn Pfarrer über¬ geben, damit er es in ein Kapellenfenster einfügen läßt. Während Frau Ludmilla sich über die Glasmalerei beugte und Adelheid herzu¬ trat und die beiden Frauen das Gut¬ brodische Wappen, denn das stellte das Bild dar, genau auf Richtigkeit und Aus¬ 15 ührung prüften, hatte sich Herr Wilhelm erhoben, kramte ein wenig in den Schriften auf dem großen Stehschreibpult, das zwischen den beiden Fenstern und in der Mitte des Zimmer stand, herum entnahm von da ein Schreiben, faltete es sorgsam auseinander und als seine Frau sich jetzt zu ihm wandte, fragte er ruhig: „Nun, was sagt Ihr zu der Glas¬ malerei? „Gut, schön, ich finde nichts daran auszusetzen“, erwiderte Frau Ludmilla lebhaft, „wenn du nur nichts dagegen hast. „Nein, nein“, wehrte der Gatte ab, „ich bin ganz deiner Ansicht das Bild mag schon morgen seiner Bestimmung zugeführt werden, zum Andenken an Frau Ludmilla Gutbrod.“ „Und an Herrn Wilhelm Gutbrod doch auch“, sagte die Hausfrau, ihrem Gatten liebreich zulächelnd, „daß im 1) Unter der Pfarrkirche am Abhange gegen den Grünmarkt zu, standen damals zwei Kapellen. In der oberen Kapelle war noch 1800 das Gutbrodische Wappen zu sehen. Anfangs des 19. Jahrhunderts wurden diese Ka¬ pellen abgebrochen. 103 Kirchenbuche das vorgemerkt wird, dafür will ich schon sorgen. „Gut, meine Liebe“, nickte der Kauf¬ herr, hielt den Brief den Frauen hin und fuhr halb scherzend im Tone fort „Sorge auch noch um was anderes, da ist ein Schreiben meines Geschäftsfreundes in Regensburg — hab'’ wie Ihr wißt, für den Reichstagsaal!), will sagen für die Eingangstür drunten auf der Gasse, ein prächtiges Türlein aus Eisen hier bei uns zu Steyr schmieden lassen und hingesandt, haben es nun dort ange¬ bracht und sind ganz entzückt davon, auch des Kaisers Majestät?) soll es gar sehr gelobt haben. Schreibt mir nun der in Regensburg, der Reichsmarschall habe mir im Auftrage der edlen Herren Reichs¬ stände und auch der Stadt Regensburg ein „Dankbriefel“ hiefür gesandt. Es kehre just ein Hauptmann von des Kaisers Landsknechten oder Kyrisserns), ich weiß das nicht näher, nach Oesterreich heim und der habe den Auftrag, mir dieses „Dankbriefel“ gar feierlich namens des Reichsmarschalls und der Stadt zu überreichen. Jedenfalls ist das ein sehr achtbarer Herr, so ihn der Reichsmarschall in seinem Namen sendet. „Wohl, wohl“, sagte Frau Ludmilla lächelnd, „ich verstehe dich schon. Der Abgesandte des Herrn Reichsmarschalls soll würdig empfangen und entsprechend bewirtet werden hernach, wie es dem verlaß dich Hause Gutbrod geziemt — 1) Das Gebäude, wo der Reichstag in Regensburg das Deutsche Reich totplauschte, besteht heute noch. 2) Kaiser Maximilian I. 3) Am 28. Mai 1498 hatte Kaiser Max I. mittels Patent an die niederösterr. Stände die Aufstellung von 100 Kyrissern (Reitern, im Gegensatze zu den schon be¬ den „Landsknechten“) an¬ stehenden Knechten zu Fuß geordnet. Der Kyrisser mußte aus guter, alter Familie ein. Sie standen unter vier Hauptleuten. Jedem Kyrisser war ein „leichter Büchsenschütze“ zu Pferd, dann zwei mit Spießen (Lanzen) bewaffnete Knechte, die „Einrosser“ oder „Einspännigen“, beigegeben überdies hatte jeder Kyrisser noch einen Knappen, einen mit einer Hellebarde ausgerüsteten und nur vorne gewappneten Trabanten, einen Reitknecht (Marstaller) und wohl auch noch einen leichtgerüsteten Pagen in seinem Gefolge. Die Pagen trugen nur einen Schild (Tartsche) und waren mit leichten Pferden beritten. Der Kyrisser, also der eigentliche schwere Kämpfer war, ebenso wie sein Pferd, ganz in Eisen gehüllt. Die Büchsenschützen ritten zuerst an den Feind schossen ab und bogen dann rechts und links aus worauf die Kyrisser dann den Nahkamp ausfochten. Der Kyrisser hatte seine Begleitung selbst zu werben und auszurüsten, was sich daher nur Söhne reicher Leute erlauben konnten. Vom Brustharnisch der Kyrisser hießen die schweren Reiter in späterer Zeit „Kürassiere“.

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