es fehlte ihm etwas, die Arbeit, die Frau, der Sohn, vielleicht auch die Schwieger¬ tochter und nicht zuletzt auch der Freund. Er gestand sich das zwar nicht ein, aber, saß er so wie jetzt im Erker beim Humpen dachte er doch immer wieder der schönen Zeiten von einst und verglich sie mit seinem freudlosen Alleinsein von jetzt, und wie schon so oft, trat er auch jetzt wieder an das Erkerfenster, wo man hinabsah gegen die Stadt, trommelte heftig mit 71 des den Fingern an den Scheiben Fensters und murmelte ingrimmig insich hinein „Der Gutbrod ist schuld daran, der Gutbrod und sonst keiner! Ich bin nicht ausgewischt" in Rohrbach, er aber mir damals beim „Elefanten hätt' in meinem Zorn ihn vielleicht kalt gemacht Gott verzeih' mir die Sünd', ich hätt' mir's nimmer verziehen und wäre ein Jammermann für den Rest meiner Tage. Besser so! Aber Schuld ist er an seines Freundes Einsamkeit — nur er!“ II. Zur selben Zeit als draußen im Aichet¬ Schlössel der einsame Fuxberger seine Nachmittagsbetrachtungen anstellte, saß drinnen am Stadtplatz zu Steyr der ehr¬ same und wohledle Herr Wilhelm Gut¬ brod, Ratsbürger und Eisenhändler, Ob¬ mann, Zunft= und Schätzmeister und Mit¬ glied des äußeren Rates!), zur Zeit da¬ her ein in seiner Vaterstadt hochmöglicher und vermöge seines Reichtums und seiner strengen Rechtlichkeit auch allerwärts hoch¬ angesehener Mann.?) Herr Wilhelm Gutbrod war, im Gegensatze zu seinem „Todfeind“ Martin Fuxberger, der, ehe er sich zur Ruhe setzte, ein Gewerkschafter im großen Stile war, ein Handelsherr im besten Sinne des Wortes welcher die Erzeugnisse der stei¬ erischen Eisenwerke aus Steiermark heraus¬ brachte, nach Deutschland lieferte und Zweigniederlassungen seines Stadt Steyrer 1) So eine Art vollziehender Gemeinderat, hervor¬ gegangen durch jährliche Wahl aus dem gesamten (Ge¬ meinde=) Rat. 2) Die Gutbrod waren damals in Steyr ebenso ange¬ sehen wie die Fuxberger, die beide hier einheimisch waren 101 Hauses in Nürnberg und Regensburg besaß und daselbst auch Stadt Steyrer Eisen= und Stahlwaren im Großen ver¬ trieb und es so ermöglichte, daß die da¬ mals, der vielen inneren Wirren und Kriege wegen, arg darniederliegende Eisenindustrie der Stadt sich halbwegs noch am Leben erhielt. Daß Wilhelm Gutbrod zu den reichsten Leuten in der Stadt zählte, war bei der Er¬ großen Ausdehnung und den großen trägnissen seines Handels nur natürlich ebenso begreiflich aber war es auch, daß sein Haus eines der prächtigsten in der Stadt und dessen innere Ausstattung ebenso gediegen war und sein Haushalt jenen vornehmen Aufwand zeigte, der nicht protzend, aber in wohl leicht begreif¬ licher Behaglichkeit, die ganze Herrlichkeit und das Ansehen eines Stadt Steyrer Handelsherrn und Patriziers zeigten, wie es damals Sitte war und auch die Pflicht und Notwendigkeit, sollten Geschäft= und Familienansehen gewahrt und gefördert sein und bleiben. Sein Kontor!) war ebenerdig im Hause, rechts von der Einfahrt aus zu betreten und war nur für ihn allein eingerichtet, die Tür links gegenüber führte in die große Schreibstube in der sein Stellvertreter der Buchhalter, die Schreiber, die Waren¬ prüfer und Händler tätig waren und hinter welcher Eisen=, Stahl= und Messer¬ warenlager sich ebenerdig durch den Hof ausdehnten.? Herr Wilhelm Gutbrod war mit seinem stark erbleichenden Haare ein rüstiger und beweglicher Herr; nicht von der krieger¬ 1) Kontor, Schreibstube in Handelshäusern, besonders in denen der norddeutschen „Hansa“ so genannt. 2) Dieses Haus ist, äußerlich vollständig so erhalten wie in jener Zeit, am Stadtplatz und führt die Nummer 32. In demselben befindet sich die „Eisen= und Stahlniederlage der österr. alpinen Montangesellschaft“ von Karl Heindl und Hermann Seidl, Firma Johann Amort. Eigentüme dieses histor. Hauses ist Karl Heindl, Gemeinderat und Eisenhändler. Das Haus war seit 1792 im Besitze der Familie Mayr, welche darauf ein Wirtsgeschäft, „Zun goldenen Löwen“ in guter, alter Weise betrieb. Die Wirtsgerechtigkeit ist noch auf dem Hause, ruht aber. Herr Karl Heindl hat dem Hause den Namen „Zum goldener Löwen“ belassen und ist bestrebt, auch im Innern die historische Bauart des Hauses zu erhalten. Sein und Herrn Seidls Kontor befindet sich in demselben Raume wie einst das Gutbrodische und auch die Räume der Schreibstube und so des Warenlagers der Gutbrodischen haben heute wieder ziemlich dieselbe Bestimmung sich zurückerobert; auch jetzt sind sie ein Eisenwarenlager.
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