schüsse abgeben sollte, nicht mit blinden Patronen, ondern scharf mit Kartätschen geschossen. Ein Schuß traf den Pavillon des Zaren, der nur wie durch ein Wunder gerettet wurde. Man sprach von einem Zufalle! — Am 20. Jänner 1905 wütete der Generalstreik in Petersburg— mehr als 150.000 Arbeiter waren im Aus¬ stande—, am 28. Jänner 1905 in Warschau und Lodz, woselbst je 100.000 Arbeiter die Ar¬ beit einstellten — der Telegraph meldete am 2. Februar 1905 aus Warschau allein 600 Tote 1000 Verwundete —, am 25. Jänner 1905 in Moskau. Dann kam der 22. Jänner 1905, jener grausame Tag, da zu Petersburg hunderte wehr¬ loser Arbeiter, die, geführt von dem Weltgeist¬ lichen Georg Gapon, Heiligen= und Zaren¬ bilder vor sich hertragend, betend und singend zu ihrem Herrscher zogen, ihm ihre Bitten vor¬ zubringen, über Befehl des Großfürsten Wla¬ dimir, des verhaßtesten Mitgliedes der Zaren¬ familie, von einer rohen Soldateska, von einem Teile jenes „ruhmreichen“ Heeres nieder¬ gemordet wurden, das, den glänzend geführten japanischen Streitkräften gegenübergestellt, es zu nichts weiter als zu einer ununterbrochenen Reihe schmachvoller Niederlagen und Retiraden gebracht hat. Tausende von Toten und Verwun¬ deten, darunter zahlreiche Kinder, bedeckten den Platz vor dem Winterpalais und die Straßen der Stadt! Dann kam die Ernennung des ge¬ fürchteten und gehaßten General Dimitry Feodo¬ rovic Trepow zum Generalgouverneur von Petersburg (er wurde später, im Juni 1905 mit der Diktatur bekleidet) und die Schreckensherr¬ schaft in dieser Stadt stand damit in Permanenz. Am 31. Jänner 1905 wurde der Stadt¬ hauptmann von Warschau, Baron Nolken, zu Tode verwundet; am 6. Februar 1905 der Pro¬ kurator des finnländischen Senates, Jahus¬ son, erschossen; am 24. Mai 1905 der Gouverneur Fürst Nakaschidse in Baku durch eine Bombe getötet; am 17. Fe¬ bruar 1905 ward Großfürst Sergius Alexandrowitsch im Kreml zu Moskau geschleuderte durcheine gegen ihn ein Bombe in Stücke zerrissen. Er war — Onkel des Zaren Nikolaus II., am 11. Mai 1857 als der fünfte Sohn des Zaren Alexan¬ der II. in Zarskoje Selo geboren — der Führer der Großfürstenpartei, das Haupt der Kriegs¬ .— und autokratischen Partei. Am 1. Mai 93 1905 kam es in den Straßen Warschaus zu einem blutigen Gemetzel und am 23. bis 24. Juni 1905, nachdem Trepow zum Gehilfen des Ministers des Innern mit den Befugnissen eines Diktators ernannt worden war, in Lodz zu Straßenkämpfen und zu einem entsetzlichen Blut¬ bade, dem 2000 Tote und Verwundete zum Opfer fielen. Am 29. Juni wurde daraufhin der Kosakengeneral Marmusow, der während des Lodzer Blutbades den Kosaken den Befehl zum Schießen auf wehrlose Arbeiter gegeben, auf offener Straße erdolcht. — Um das Ent¬ setzen voll zu machen, traf am 27. Juni 1905 das zur Schwarzen Meer=Flotte gehörige Panzer¬ — schiff „Fürst Potemkin der Taurier“ begleitet von zwei Torpedobooten — mit blutroter Flagge vor Odessa ein. Es war in Händen von Meu¬ terern. Der Kommandant des Schiffes hatte einen Matrosen, der sich im Namen der Kollegen über schlechte Kost beklagt hatte, niedergeschossen Darauf hatte die Mannschaft den Kapitän und den größten Teil der übrigen Offiziere getötet und das Kommando einem der Ihren übertragen. Die schußbereiten Kanonen auf die Hafenstadt er¬ gerichtet, verlangten die Meuterer, daß ihr — chossener Genosse sein Omeltschuk war — in Odessa mit allen militärischen Name Ehren bestattet werde, und die Zivil= und Mi¬ litärbehörden der Stadt mußten es, um weiteres Unheil zu verhüten, zugeben und sogar die Ver¬ proviantierung der Meutererschiffe gestatten. Dann trat auch die Landbevölkerung in Aktion — in der Hafenstadt wurde geplündert, Schiffe und Lagerhäuser in Brand gesteckt, und Gewehr bei Fuß mußte Polizei und Militär zusehen, denn „klar zum Gefecht“ stand noch immer der „Potemkin“ im Hafen. Ein Teil der in Sebasto¬ pol liegenden Flotte fuhr nun unter Vize¬ Admiral Krieger aus, die Meuternden zur Raison zu bringen; aber die Mannschaft dieser Schiffe jubelte den Meuternden zu und ruhig mußte ihr Führer zusehen, wie der „Potemkin“ schußbereit an seinen Schiffen vorüberzog. Wohl kam am 30. Juni die offizielle Meldung, der „Potemkin“ habe sich schließlich an diesem Tage doch noch ergeben, aber diese Meldung war ebenso verlogen, wie manch russisches Sieges¬ bulletin aus der Mandschurei, denn der „Potem¬ kin“ konnte noch Tage nachher unter seiner blut¬ roten Fahne das Schwarze Meer befahren, vor Constanza und Feodosia erscheinen und Pro¬
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