Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1906

92 im übrigen die Retorsionspolitik Balfours sowie dessen Vorschlag einer neuen Kolonialkonferenz akzeptiere, die sich mit der Frage eines engeren kommerziellen Anschlusses der Kolonien an das Mutterland befassen soll. Damit hatte Cham¬ berlain seine Partie aufgegeben und den Rückzug angetreten. Am 1. Oktober 1904 starb zu London Sir William George Granville Vernon Harcourt, das Finanzgenie der liberalen Partei Englands; immer wieder, so oft Gladstone ans Ruder kam, Schatzkanzler, hat er sich in der Finanz¬ geschichte des britischen Reiches einen ehrenvollen Großfürst Sergins 17 ermordet am Platz gesichert. Er war am 14. Oktober 1827 geboren. Rußland. Die Revolution steht in Rußland in voller Blüte; es ist nicht ein nach außen einheitliches Bild, das sie gewährt, aber die bald hier, bald dort auflodernden Aufstände und Streiks, die Bauernrevolten und Judengemetzel, die Meu¬ tereien und Revolten in Armee und Marine, von denen jeder neue Tag neue Schrecken ver¬ kündet, müssen doch als ein nach innen einheit¬ liches Gesamtereignis betrachtet werden, das mit keinem anderen Namen bezeichnet werden kann als dem: Revolution! Die Machthaber ver¬ suchten es mit allen Mitteln der Gewalt, mit Militär und Polizei, mit Säbel, Knute und Blei, der Revolution, die das gewaltige Reich durchtobt, Herr zu werden — vergeblich; hier gebändigt, brach sie dort von neuem aus. Und die durch den einjährigen, an Schmach und Niederlagen reichen Krieg, durch die ewig ge¬ gebenen, aber nie gehaltenen Versprechungen einer Verfassung — die einzig aufrichtig ge¬ meinte Episode, die Ministerschaft Swiato¬ polk=Mirsky (sie endete am 2. Februar 1905) war nicht von langer Dauer — bis ins Innerste getroffenen, wild erregten Massen kein Stand blieb kalt, Adel und Bürgertum, * Kirhenn von Rußland, Februar 1905. Intelligenz und Arbeiterschaft, Militär und Zivil, bildeten eine einheitlich fühlende Menge —ant¬ worteten mit Attentaten, mit immer wieder neu aufflammendem Aufruhr, und in Strömen floß das Blut für die Sache der Freiheit! Hier nur einige Bilder aus der entsetzlichen Zeit, die über das Russenreich hereingebrochen: Am 28. Juli 1904 ward der verhaßte Minister des Innern, v. Plehwe, durch eine Spreng¬ bombe getötet. Am 13. November 1904 wütete der Straßenkampf in Warschau: 17 Tote, 100 Verwundete und 1000 Verhaftete waren das Opfer desselben. Am 19. Jänner 1905 wurde in Petersburg beim Fest der Wasserweihe, der höchsten kirchlichen Feier der orthodoxen russischen Kirche, als die ausgerückte Artillerie die Salut¬

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2