56 Während der Unschuldige im Gefäng¬ Da sprüht ein Freudenstrahl aus nis schmachtete, was trieb indes der Paumgartners fast erloschenem Auge. Mörder? Verriet er sich nicht durch ein Ein Blitz fällt in seine Seele: Vielleicht Kainszeichen des aufgeschreckten Gewis¬ rettet dein Zeugnis den Unschuldigen! sens? Jagte ihn nicht dies nagende Feuer, „Ich bezeuge,“ ruft er laut, mit zum das nie erlischt, auf aus seinen nächtlichen Himmel erhobener Rechten, „daß ich die¬ Träumen, trieb es ihn nicht zum Rich¬ en jungen Mann stets treu, fleißig, still ter, um dort zu bekennen: „Ich bin der und bescheiden gefunden, daß ich ihn un¬ Mörder, laß frei den Schuldlosen! fähig, ganz unfähig halte solcher Tat ... Nein, alles dies unterblieb, der Mör¬ daß, wenn hier wirklich ein Mord ge¬ der verriet sich durch nichts. Auch fiel auf schehen, nicht er ... ihn nicht der Schein eines Verdachtes. Sondern du der Mörder bist!“ erscholl Zwar wußte sein Diener, daß er in die¬ hier plötzlich eine Stimme aus des Ge¬ er Nacht nicht in seiner Wohnung ge¬ richtssaales fernstem Winkel, und über wesen, aber dies war so seine bekannte die Häupter der dichtgedrängten, wie vom Weise. Auch schützte ihn sein Stand, sein Blitz aus der Höhe getroffenen Zuhörer Rang, sowie die Würde und der Ernst schwebt, hoch emporgehalten, ein großer seines ganzen Wesens, selbst vor dem Stab. Schatten eines Argwohns. Felix Paum¬ Es ist der Stab jenes Blinden, welcher gartner blieb also unberührt von den in der entsetzlichen Nacht augenloser Nachforschungen des untersuchenden Ge¬ Zeuge war, als die Mauerstücke etzes. Wie es in seinem Innern aussah, in die Wellen der Bode fielen, weiß Gott allein. Eines Tages — die die der Regen vom Brücken¬ Verurteilung Theobalds stand nahe be¬ geländer abgebröckelt. vor — wurde er doch noch als Zeuge Der Blinde mit dem Stabe hatte den vor Gericht geladen, um als Hausgenosse Mörder an dem Klang seiner nur einmal des Angeklagten über ihn auszusagen, gehörten Stimme erkannt. was er von ihm wußte. Eine letzte öffent¬ „ „ liche Sitzung des Gerichts war angesetzt, „Ja, ich bin der Morder!“ ruft der ehe der Stab über ihn gebrochen wurde; Gottgerichtete, und sein lautes Zeugnis man wollte, ehe man zur Verurteilung gegen sich selbst klingt fast freudig. schritt, jeden noch möglichen Zeugen Die Last ist herabgewälzt vom Ge¬ hören. wissen. Die Tat selbst und wie sie voll¬ Ahnungsvolle Stille herrscht im Ge¬ bracht worden, bleibt ein ewiges Rätsel. richtssaal. Man führt den Angeklagten Einige Wochen später fiel auf der herbei. Von der Bank, auf welcher die Drei Marken=Wiese, links vor Zeugen Platz genommen, erhebt sich Felix dem Tore, welches nach Gernrode Paumgartner auf die Frage des Rich¬ führt, das Haupt Felix Paumgartners! ters: ∆ Dies ist die Bedeutung der eingefügten „Ist Ihnen irgend eine Tatsache von Steinplatte an dem Hause .... jener Nacht bekannt, die den Angeklagten belasten oder entlasten könnte? Lieber Leser, wenn dich dein Weg an „Keine“, erwidert der Zeuge dumpf diesem stillen Hause in Quedlinburg vor¬ und neigt seinen Kopf. beiführt, so betrachte ernst den blinden „Und welches Zeugnis können Sie, als Greis mit dem Stabe und gedenke dabei Hausbewohner, zu Gunsten oder Ungun¬ oft mit stiller Wehmut der schönen Gold¬ sten des Angeschuldigten leisten?“ frägt schmiedstochter Aurora, deren trauriges der Richter weiter. Schicksal ich dir erzählt habe. SNNOS
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