Am Tage vor dem Feste schritt Herr Felix Paumgartner in seiner Stube totenbleich, in furchtbarer Erregung auf und nieder. Er hatte den Tod im Her¬ zen. Da drangen Stimmen aus jenen Fenstern zu ihm herüber, wo er die Lieb¬ liche zuerst geschaut. Hochklopfenden Her¬ zens lüftete er den Vorhang, nur durch — eine kleine Spalte des kaum geoffneten Fensters wagte er zu lauschen. Drüben waren die Fenster weit geöffnet, deutlich drangen die Stimmen herüber; es waren Theobald und Aurora, denen dieselben angehörten. „Du verspottest mich, Aurora, am Vorabend meines schönsten Glückes!“ sagte Theobald wehmütig. „Ich werde nicht mit zum Bankett gehen. „Du wirst gehen und mich begleiten, sprach das Mädchen heftig. „Du bist schon im voraus eifersüchtig, und darum ge¬ rade sollst und mußt du gehen!“ „Ich bin nur ein einfacher Mensch, erwiderte Theobald ernst, „aber treu und ehrenhaft. Wie weh tut mir dein Hohn schon hier im einsamen Zimmer, wo nie¬ mand ihn vernimmt. Aber ich könnte ihn nicht ertragen im glänzenden Ballsaal, wo dich die reichsten Edelleute und die angesehensten Bürger der Stadt an¬ betend umgeben werden. Darum, Aurora, ist es besser, ich gehe nicht zum Bankett. „Gut, gut, sprach das junge Mäd¬ chen in erregtem Ton, „wenn du darauf bestehst, nicht zu gehen, so ist unsere Ver¬ lobung aufgehoben. Sieh nach jenen Fen¬ tern .. . dem verhaßten Alten dort drü¬ ben — du weißt es, er hat um mich ge¬ worben —ihm reiche ich lieber die Hand, als ...“ Herr Felix Paumgartner hörte kein Wort mehr und leise schloß er das halb geöffnete Fenster. Er wußte nicht, daß er es tat, es war Nacht, tiefe, unheim¬ liche Nacht in seiner Seele. Ein schreck¬ licher Zorn ergriff ihn, neben einem herz¬ brechenden Jammer: Diese Der verhaßte Alte! Schreckenslaute, und nur diese hallten in seinem Innern wieder. Er war also gehaßt, ja mehr noch, er war verspottet, 53 verhöhnt und sein Geist faßte tiefer und schrecklicher, als das einfache Gemüt des jungen Goldschmiedgehilfen es je empfin¬ den konnte, was Hohn und Spott ist in solchem Augenblick! Was an diesem Abend und in der darauffolgenden Nacht, was in diesen wenigen, aber für ihn entsetzlichen Stun¬ den in der Seele des unglücklichen Man¬ nes vorging, wer vermöchte es, dies zu ergründen? Wer, wenn ihm auch ein hel¬ ler Blick in dieses auf immer zerstörte, todwunde Herz gestattet gewesen wäre, wer vermöchte es zu schildern, welche Qualen er erduldete? Die Nacht, die eine Seele einhüllte, breitete ihre Flügel immer schwärzer und unheimlicher über ihn aus. Was trieb ihn hinaus in jener Nacht, als das Fest stattfand? War es die Qual der Sehnsucht, die Schreckens¬ olter der Eifersucht? War es der sich zur Rachelust ausbildende tiefe Zorn, der in ihm wütete? Oder war es jene unbe¬ schreibliche, unerklärliche Angst, die fast immer dem Verbrechen vorangeht? ... Wer weiß dies, wer wagt dies zu beant¬ worten! In der folgenden Sonntagsnacht, es mochte wohl bald Morgen sein, durch¬ chritt ein Mann, tief in seinen Mantel gehüllt, die wenigen engen Straßen, die das Haus des Goldschmiedes vom Rat¬ hause trennten. Totenstille herrschte ringsum, nur hin und wieder durch einen Trompetentusch unterbrochen, der vom Bankettsaal herschallt. Immer auf und nieder schreitet der Mann im Mantel in unruhiger Hast. Wen sucht er, wen er¬ wartet er? Woran denkt er? Welche Empfindungen durchströmen seine gefol¬ terte Brust? Jetzt steht er lauschend still; es ist, als horche er auf ferne Tritte. Nun schreitet er mit doppelter Hast wei¬ ter nach dem Hause des Goldschmieds, das in tiefer Totenstille ruht. Schon zieht er den mächtigen Schlüssel hervor, die " —— Tür zu offnen. Es ist, als ob der Schutz¬ geist seines Lebens zum letztenmal an einer Seite stände, mahnend, bittend: diese schreckliche Wacht zu verlassen und heimzugehen.
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