22 ein Fluch, als eine höfliche Antwort klang, so daß ich allmählich des Versöh¬ nungsversach müde wurde und ihn seinen eigenen Weg gehen und seine eigene Ge¬ sellschaft aufsuchen ließ. Der Sommer war bereits weit vorge¬ chritten und unser Engagement im Bel¬ vedere nahezu abgelaufen, als ich all¬ mählich die Möbel zu kaufen und Ally die Vorbereitungen zur Hochzeit zu tref¬ fen begann. Mein Verhältnis zu John Griffiths blieb unverändert; als indessen unser Hochzeitstag bestimmt war, beschloß ich, mich ihm noch einmal zu nähern, in¬ dem ich ihn zur Hochzeit und zum Mittag¬ mahle einlud. Ich erinnere mich der nähe¬ ren Umstände bei dieser Einladung noch o genau, als hätte sie gestern stattge¬ unden. Es war der 29. Juli — ich habe ein und sehr gutes Gedächtnis für Daten —. wir waren alle zu Mittags 1 Uhr zur Probe bestellt. Die Luft war warm und drückend und ich machte mich sehr zeitig auf den Weg, um nicht zu spät oder zu matt anzukommen, denn ich wußte, daß durch die Probe, das neue Stück und das gefahrvolle Niedersteigen noch eine große Anstrengung meiner wartete, ehe mein Tagewerk beendet war. Die Folge war indessen, daß ich 20 Minuten zu früh an¬ sehr langte. Die Gärten sahen bei Tage traurig aus, waren aber immerhin noch angenehmer als der Theaterraum; ich schlenderte also zwischen angeräucherten Bäumen auf und ab, sah zu, wie die Kellner die Tische in den Lauben reinigten und machte meine Betrachtungen darüber, wie schäbig die Fontänen aussahen, wenn sie nicht sprangen, und welch' erbärmliche Spielerei die Stalaktithöhlen, die künst¬ lichen Grotten und alle die anderen Wun¬ der, die im Licht der farbigen Lampen und beim Feuerwerk so prächtig aus¬ sahen, eigentlich waren. Als ich nun in diese Betrachtungen versunken vorwärts schritt, sah ich plötzlich John Griffiths in einer Laube sitzen. Er hatte sich über den Tisch gebeugt, den Kopf auf die Hände gelehnt und schlief ganz fest. Neben ihm stand eine leere Bier¬ flasche und ein Glas, und sein Stock war zu Boden gefallen. Ich konnte mich über seine Person nicht täuschen, obgleich ich ein Gesicht nicht sehen konnte, ging also an ihn heran und berührte leise seine Schulter. „Ist das nicht heute ein schöner Mor¬ gen, John?“ sagte ich. „Ich glaubte, daß ich sehr frühkäme, aber, wie ich sehe, warst du noch früher hier. Er sprang sofort beim Klange meiner Stimme, als hätte er einen Schlag be¬ kommen, auf und wendete sich verdrie߬ lich ab. „Weshalb weckst du mich?“ fragte er zornig. „Weil ich dir etwas neues mitteilen will. Du weißt, daß hier am 6. August unsere letzte Vorstellung ist. — Nun, alter Freund, und am 7. denke ich, will's Gott, „7 zu heiraten und „Nichtswürdiger!“ schrie er mit todes¬ bleichem Gesicht, und seine Augen fun¬ kelten wie die eines Tigers. „Nichtswür¬ diger, wie kannst du es wagen, mir diese Nachricht zu bringen, du gleißnerischer Hund. Gerade mir unter allen Men¬ schen!“ Ich war auf diesen Zornesausbruch so wenig gefaßt, daß ich gar nichts darauf zu erwidern wußte, und so fuhr er also fort: „Warum kannst du mich denn nicht in Ruhe lassen? Weshalb forderst du mich denn heraus? Ich habe mich bis jetzt nicht 7 an dir vergriffen Er schwieg und biß sich auf die Lippen; ich sah, daß er von Kopf bis zu Fuß er¬ bebte. Ich bin kein Feigling und wäre icherlich kein patagonischer Bruder, wenn ich ein solcher wäre, aber der Ausdruck seines Hasses machte mich im Augenblick ganz elend und verwirrt. „Mein Gott!“ sagte ich und lehnte mich an den Tisch. „Was ist dir? Bist du toll? Er gab mir keine Antwort, sondern sah mich scharf an und ging fort. Ich weiß selbst nicht, wodurch, aber von die¬ em Augenblicke war mir alles klar. Seine Geschichte war gewissermaßen aus seinen Zügen zu lesen.
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