Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

2 herumflogen! Ja, es mußte wohl wahr ein, daß der junge Hofbesitzer, wollte er nur, „schaffen“ konnte, wie selten einer, aber nur ab und zu zur Arbeit kam, da er oft anderes zu tun hatte, was ihm mehr Geld eintrug! Nanni, eine bejahrte Base „vom dort siebenten Suppenschnittel“ wie man be¬ m Wald entfernte Verwandtschaft Ar¬ zeichnet, verrichtete die häuslichen beiten, kochte für das zahlreiche Gesinde und war den Mägden überall auf den Hacken im Kuh=, Schweine= und Ge¬ trotz¬ lügelstall, denn der „Bauer“ war, dem er bereits übers Mantellied „schier dreißig Jahre bist du alt“ hinaus war, noch immer unbeweibt, obwohl er sich den Dirndln nicht ganz abhold zeigte! Am besten wußte das die Kathi vom „Schindel¬ hof“ der weiter drin im Walde stattlich und fast „herrisch“ auf einer kleinen An¬ höhe mitten zwischen all den dazugehöri¬ gen Aeckern und Wiesen lag. Schon volle sechs Jahre waren sich beide zugetan in Liebe, und gewiß wäre es endlich einmal hohe Zeit gewesen, das „Kranl“, den Brautkranz, ein Käppchen mit Perlen, Flinseln und Bouillons — Silber= oder Goldtroddeln — gestickt, vier Finger hoch, oben offen und mit Goldbrokat über¬ zogen, beim Goldarbeiter Ebenhöch in Waldmünchen und ebendaselbst für den äumigen Hochzeiter den Aufputz rings um seinen „Dreispitz“, auf dessen gold¬ brokatnem Grunde ebenfalls Perlen, Gold= und Silbertroddeln, sowie künst¬ liche Blumen angebracht sind, zu bestellen, da ja auch in der „Stadt" (Wald¬ münchen) Se. Hochwürden der Herr Pfarrer „Ja“ zu besagter Trauung sagen würde, wenn nur endlich der „Hirschhofer“ dieses bedeutsame Wörtlein aussprechen möchte! Doch Martl wollte noch immer nicht, und so blieb sowohl Brautschau wie Stuhlfest aus, dazu der Hochzeits¬ lader im Festgewand mit langem spani¬ chen Rohr, den Blumenstrauß auf dem Hut, und während die Nachbarsleute des säumigen Liebespaares auf ihren Anteil am Hochzeitsmahl, den „B'scheid“, noch immer warten mußten, ging es ihren Buben und den Armen der Umgegend gerade so, die schon längst gern an den Fenstern des Brauthauses mit Stangen geklopft, ihr „Spießrecken“ erprobt und dazu gesungen hätten: Recka, recka, Spieß, A Koichl (Schmalzgebäck, Küchl) is ma g’wiß, o, Steckt's mer oans Na' laf' i davo!“ Gleich dem Martl war auch Kathi längst schon doppelt verwaist und bewirt¬ chaftete ganz selbständig ihren schönen Schindelhof; ihr paßte es gar nimmer, — daß der sonst so rasche, tatkraftige Er¬ korene stets den Ehebund aufs neue hinauszog, und ganz unleidig dünkten ihr eit einiger Zeit die Spötteleien der Burschen im Waldmünchener Bezirk, die ie nie mehr anders als die „ewige Hoch¬ zeiterin“ nannten! Kathi, das schmucke schwarzhaarige und dunkeläugige Bauernmädel, das in ihrem Aeußern wenig deutsche, wohl aber tschechische Art zeigte, hatte allerdings mehr als einmal bewiesen, daß sie eine tüchtige Pantoffelschwingerin werden könnte; sollte sich Martel vor dieser An¬ lage scheuen, er, der sich vor niemandem fürchtete, darin der Grund seiner Ehe¬ cheu liegen?! Ehe Martel der Kathi nähergetreten, und diese zum erstenmal den kraftstrotzen¬ den Burschen in seiner männlichen Schöne und Verwegenheit gesehen, wie er seine dörfischen Altersgenossen bemeisterte, und wenn es zum Raufen kam, die ganze Ge¬ ellschaft trotz ihrer Streitlust an die Luft setzte, was immer geschah, wenn die Kampfhähne zum Messer greifen wollten da schlug ihr Herz stärker, obwohl sie schon manchen heiratslustigen Buben ab¬ blitzen hatte lassen, der dem Schindelhof eine schöne Besitzerin rauben und zum Altar führen gewollt! . . . Damals bebte ie förmlich zurück, als sie vom Martl einfach ihrem Tänzer abgenommen ward, der nicht lang fragte, ob das Sitte sei und nicht gegen das Herkommen ver¬ stoße! Der kühne Bursche hatte bereits dem erschrockenen Mädchen seinen Arm um die Hüfte gelegt, den Musikanten

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