Der letzte Hirschhofer. Eine wahre Bauerngeschichte aus demBayerischen Walde. Von C. W. Stich. ang ist's her, mehr als ein lung in den Fünfzigerjahren des XIX. „ halbes Sakulum, als auch im Jahrhunderts in die ihn umgebende 7 bayerischen Walde Robot und Welt! Zehent abkamen und die Martin, oder Martl, wie man in jenen 1848/49er Freiheitsstürme über diesen Gegenden sagt, bei dem man schon aus ebenso romantischen als weltfernen Erd¬ seinem Gesichte Verwegenheit und Tat¬ winkel hinbrausten! kraft erkennen mochte und dem jede feinere Kultur „protzig“ dünkte, mochte Nahe der bayerisch=böhmischen in dich¬ damals in der Mitte der Dreißiger stehen. tes Tannendunkel getauchten Grenze im Der breitrandige, nach hinten aufge¬ Waldmünchener Bezirk lag damals der krempte Dreispitz, der noch immer bei sogenannte „Hirschhof“ Er befand sich un¬ den großbegüterten Hofbauern sein Recht weit des berühmten Wallfahrtsortes und behauptete, saß ihm „schneidig“ genug Unserer lieben Frauen Gotteshauses zu auf dem krausen, trutzigen Blondkopf, Ast, dort, wo in grauer Vorzeit auf einem und das vom Wirbel aus nach allen Aste unter grünem Eichenlaub das wun¬ Richtungen glattgestrichene, längs der dertätige Bild der heil. Jungfrau gefun¬ ganzen Stirnbreite gerade zugestutzte, an den wurde und bald darauf die scheuge¬ den Schläfen länger herabwallende Haupt¬ wordenen Rosse einer Gräfin aus dem haar gab seinem Haupte mittelalterlicher längst erloschenen, einst in jenen Gauen Zuschnitt, aber auch den Ausdruck, daß bis weit nach Böhmen hinein begü¬ er einer sei, mit dem sich nicht „spassen terten mächtigen Dynastengeschlechte der lasse, und gleichsam das Siegel auf diesen „Schwarzenberg“ auf ein Gelöbnis der¬ von der Natur ausgestellten Paß waren selben zur Gottesmutter stille standen und die hellen grauen Augen, die verwegen so die arg am Leben bedrohte Dame ge¬ genug aus dem von Sonne, Wind und rettet wurde Wetter tief gebräunten Gesichte blitzten Der Hirschhof erstand nach den und der unternehmend aufgedrehte, „un¬ Hussitenkriegen auf das Machtgebot des verschämt“ blonde Schnurrbart, um den Abtes und Generalprädikators Wilhelm ihn mancher Kürassier Pappenheims be¬ des Augustinerklosters Schönthal, eines neidet hätte! Er trug die schwarzlederne ebenso prächtigen als reichen ehemaligen Kniehose und Wadenstiefel dazu mit ge¬ Wilhelmiten=Stiftes, und sein wuchtiger chmeidigem Kalblederschafte, die soge¬ Bau am Ufer der forellenreichen nannten Beinlinge, welche am Rande noch Schwarzach in sehr lieblicher Gegend die blauen Strümpfe sehen lassen! sprach deutlich genug von der einstigen Gerade jetzt stand der Bursche, auf¬ hohen Bedeutung des 1805 aufgehobenen merksam nach dem Fichtenbusch hinüber¬ Klosters! Seit jener Zeit hauste das lauschend, seine derben Fäuste auf ein „mantelmäßige“ Bauerngeschlecht der Zimmermannsbeil gestützt, da, denn ihm „Bremeischel“ in dem mit stolzen Mauern war es, als hätte in dem Haag, der ihm kühn aufragenden früheren Kloster¬ eignete, fremder Axtschlag geklungen. besitze, gleichsam pochend auf Geld und Da sich aber der Ton nicht wiederholte, Macht,*) und ebenso schaute mit trotzigen mußte sich sein sonst so feines Gehör Augen der dörfische Held dieser Erzäh¬ diesmal doch getäuscht haben; so fuhr *) denn Martl wieder in seiner Arbeit, Die reichen Bauern im Bayerischen Walde trugen bis noch vor kurzer Zeit Som¬ Balken zu behauen und den Zimmerleuten mer wie Winter lange blautuchene, rotkragige „in ihr Handwerk zu pfuschen“, fort, und Mäntel zum Unterschied von den ärmeren schwang seine schwere Hacke so wuchtig Dörflern. Erstere hießen „mantelmäßige“ letz¬ und zugleich flink, daß die Splitter weit tere „Tropfhäusler“=Bauern. 1
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2