Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

200 gebäude mußte zur Schaffung von zwei neuen Parallelklassen in den Ferien eine größere Adaptierung vorgenommen werden. Zur Hebung des Fremdenverkehres in der Stadt Steyr trägt die Kaltwasser¬ Anstalt des Kneippvereines in der Neuschönau das meiste bei. Dieselbe zeigte auch in der letztabgelaufenen Saison eine steigende Frequenzziffer. Die Anstalt hat seit ihrem Bestande vom Jahre 1897 bis heute eine Besucherzahl von nahezu 2000 Personen erreicht und es muß zur Ehre der Anstalt gesagt werden, daß sich alle ausnahmslos über ihre Einrichtung und ihre Erfolge aufs lobendste aussprachen. Populäre Vor¬ träge über die Kneippkur hielten in diesem Sommer wieder der Anstaltsarzt Dr. Stephan Puchy und k. u. k. Rittmeister Fritsch aus Wien, ein großer Förderer der Kneipp¬ sache in Steyr. Auch für Unterhaltung im Kreise der Kneippanstalts=Gäste war reich¬ lich vorgesorgt. Während wir den Schluß unserer Chronik schreiben, geht die Errichtung des interurbanen Telephonanschlusses der Stadt Steyr endlich ihrer Voll¬ endung entgegen. Um das Zustandekommen des interurbanen Telephonanschlusses haben ich eine ganze Reihe von Persönlichkeiten und Kooperationen, unsere Abgeordneten, der Landtag selbst sowie die Leitung des Bundes der Industriellen, das Lokal=Ak¬ tionskomitee mit dem Fabrikanten Josef Reithoffer an der Spitze und selbstver¬ ständlich in erster Linie der Handels= und der Finanzminister sowie Sektionschef Gries¬ mayr im Handelsministerium Verdienste er¬ worben In den Außenorten unseres Bezirkes wurde in baulicher Beziehung manches Nütz¬ liche durchgeführt, was wir schon in unserer chronologischen Berichterstattung aufgezählt haben. Besonders bemerkenswert ist der Fortschritt von Bad Hall, woselbst die Gemeinde ein eigenes Elektrizitäts¬ werk zur Ortsbeleuchtung und Kraftbe¬ schaffung gebaut hat. Zur weiteren Ver¬ größerungder Orte Neuschönau und 6 Jägerberg bei Steyr wird jedenfalls die Aufhebung des Bauverbotes, resp. die An¬ des72 nahme neuen Ortsregulie¬ rungsplanes seitens der Gemeinde St. Ulrich beitragen und sind bereits mehrere Neubauten in Sicht. In Sierning¬ hofen und in Garsten ist man mit der Ausführung von neuen Schulgebäuden be¬ schäftigt, in Sierning wird an der Ver¬ schönerung der dortigen Pfarrkirche ge¬ arbeitet und in Weyer wird man demnächst darangehen, durch Neubauten den gesteigerten 6 Ansprüchen der Sommergäste nachzukommen. Auch die in diesem Berichtsjahre vollendete Verbauung des Lausabaches verdient Erwähnung. Der Ausbau der Steyrtalbahn, resp. deren Anschluß an die Pyhrnbahn ist noch immer eine unerledigte, brennende Frage. Alle in Betracht kommenden Faktoren haben sich in dieser Angelegenheit in der abgelaufenen Berichtsperiode wieder redlich und wärmstens in den Vertretungskörpern owie bei den Ministerien bemüht, die Sache in Fluß zu bringen, und so besteht die Hoffnung, daß hierin doch bald das ge¬ wünschte Ziel erreicht wird. Bemerkens¬ werterweise äußerte selbst Eisenbahnminister v. Wittek anläßlich seiner Inspektion des Pyhrnbahnbaues, daß er wohl einsehe, daß die Steyrtalbahn jetzt ausgebaut werden müsse, und zwar müsse dies mit Rücksicht auf die wirtschaftlich bedrängte Lage der Bevölkerung wohl auf Staatskosten geschehen. Der Bau der Pyhrnbahn und des mächtigen Bosrucktunnels machte wieder erhebliche Fortschritte. Am Oberbau ist schon viel geschaffen worden. Im Bosrucktunnel betrug die Sohl=Stollenlänge Ende August auf der Nordseite 1540 Meter, auf der Südseite 1527 Meter; die Länge des First¬ tollens betrug auf der Nordseite 1400 Meter, auf der Südseite 1468 Meter und die Ge¬ samtleistung im Vollausbruche auf der Nord¬ eite 1180, auf der Südseite 1284 Meter. Die Mauerung der Widerlager ist bis 1164, beziehungsweise 1196 Meter vorgeschritten. Im März war wieder auf der Nordseite eine Wasserader angefahren worden, welche 15 Sekundenliter Wasser ergoß und eine einwöchentliche Einstellung der Arbeiten zur Folge hatte.— Gelegentlich des Bahn¬ baues wurden bei Spital am Pyhrn schon gegen 150 Stück alte römische Münzen ge¬ funden, deren Bestimmung dem Konservator Edmund Schmidel in Steyr übertragen wurde. Es waren Münzen von den römischen Kaisern Nero, Vespasian, Domitian, Trayan. Hadrian, Antonius Pius und Marc Aurel dem Gründer des römischen Standlagers von Laureacum bei Enns. Auch mehrere menschliche Skelette wurden ausgegraben Die Landwirtschaft hatte im all¬ gemeinen wieder ein gutes Jahr, besonders was die Obsternte betrifft, nur hat die im Sommer herrschendeaußergewöhnliche Dürre, welche zu einer Katastrophe zu werden drohte, manchen empfindlichen Schaden verursacht. In vielen Gemeinden hat auch der Hagelschlag im heurigen Jahre den Feldfrüchten wieder sehr geschadet.

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