114 „Ei, macht ihr heut aber viel ge¬ heimnisvolles Wesen, Meister Roman“ sagte der Stadtschreiber lächelnd, „seid ja fast allein im Haus, ist Feiertag bei euch!“ „Nicht doch, Herr Stadtschreiber“ meinte der Goldschmied ruhig, „der Ge¬ selle ist im Schloß droben Arbeit holen und der Bub im Laden, könnt sie auch hier nicht brauchen jetzt und deshalb führt ich euch hieher— hört mich nur gut an Und der Goldschmied erzählte dem gespannt aufhorchenden Stadtschreiber, daß gestern, spät abends Meister Werner bei ihm gewesen sei, sehr geheimnisvoll getan und ihm endlich Bruchgold in größerer Menge zum Kaufe angeboten habe. Er der Goldschmied, wollte an¬ fangs nicht darauf eingehen, das Aus¬ ehen des Bruchgoldes sei ihm aber aufge¬ fallen und da er den Meister Werner sehr im Verdachte habe wegen der Garstener Sache, habe er ihm gesagt, er kaufe das Gold, müsse es aber erst genau prüfen denn es scheine ihm sehr großen Wert zu haben oder auch gar keinen, je nach¬ dem es echt oder unecht sei. Der Meister war damit einverstanden und er habe ihn für heute abends wieder herbestellt. Wo ist das Gold?“ fragte der Stadt¬ schreiber jetzt Wortlos öffnete der Goldschmied einen verschlossenen Schrank und deutete hinein. „Ei“, sagte der Stadtschreiber er¬ staunt, „das ist ja ein Kelch zum Messe¬ lesen, zerbrochen zwar, aber doch ein Kelch. Der Goldschmied nickte. „Ja, es ist ein Kirchengerät. Mir waren die eigenartigen Stücke des Bruch¬ goldes aufgefallen, wollt sehen, was es ei und deshalb hielt ich den Werner hin, wollt versuchen, es zusammenzusetzen. Es ist gelungen und seht, wie Gottes Wege wundervoll verschlungen sind! Es ist der¬ selbe Kelch, den die Garstener Konventualen dem seligen Abt Leonhard bei dessen Wahl als Ehrengeschenk gaben. Ich selber habe seinerzeit den Kelch verfertigt, seht genauer zu, da ist die Widmung: hier oben das Wappen des Klosters zu Garsten und darunter „anno domini 1488“ und hier im Band herum: „Herr, laß allzeit an mir vorübergehen den Kelch des Leidens!“ tat ich recht so Herr Stadtschreiber, wie ich mich benahm? Ei, doch ja, die ganze Stadt dürfte euch dadurch zu großem Dank verpflichtet werden und auch die Garstener, Meister Roman, sagte der Stadtschreiber wie erleichtert aufatmend, „wollen doch sehen, wie der Werner zu dem Kelche kam. Der Goldschmied versperrte wieder sorgsam den Kelch, steckte den Schlüssel zum Kasten dann gar vorsichtig ein und die beiden Männer blieben noch ein Weilchen im leise geführten Gespräch bei¬ sammen Am Abend, als es schon stark dunkel war, trat Meister Werner, wie verabredet, in den Laden des Goldschmiedes, der ihn schon erwartete „Na“, fragte er barsch, „kauft ihr das Bruchgold oder nicht?“ „Doch, doch, ja, erwiderte der Gold¬ schmied fast flüsternd, „so ein gutes Ge¬ schäft laß ich mir doch nicht entgehen —habt wenn's auch genug gefährlich ist ihr noch mehr solch feines Zeug, Meister Werner? Der blickte den Frager erst mißtrauisch an, aber der Goldschmied sah ihm so verständnisvoll und zutraulich aus, daß er keinen Argwohn schöpfte. Deshalb lehnte er sich über den Ladentisch und meinte mit bedeutungsvollem Lächeln: „So ihr gut zahlt dafür — gewiß! „Des könnt ihr sicher sein, daß ihr euern guten Lohn erhalten werdet“, er¬ widerte der Goldschmied mit vieldeutigem Lächeln, wandte sich um, öffnete die Tür der anstoßenden Wohnstube und rief gar laut und kräftig da hinein „Wo ist das Geld für den Meister Werner? „Ihr seid wohl toll geworden, daß ihr so schreit“ brauste Meister Werner auf, aber die weitere Rede erstarb ihm auf den Lippen, denn im Rahmen der Tür erschien der Stadtschreiber in Amts¬ tracht und hinter ihm zwei Söldner und bei der Ladentür herein drängten sich deren auch wieder zwei, alle mit Schwert und Spieß bewaffnet, und ehe sich's der
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