112 Zeiten jetzt und die verderben die sanf¬ testen Gemüter! Wenn es nun so wäre, wie ihr vermutet, Gerold — warum fehlen dann aber des Abtes Wertsachen? He? Die brauchten die Garstner Herren doch nicht beiseite zu schaffen, fielen ja — ohnehin als Erbe dem Kloster heim wie reimt ihr euch das, Freund Gerold?“ „Wär doch einfach genug, Herr Stadt¬ schreiber“, gab der ganz ruhig zur Ant¬ wvort, „mußten diese Wertsachen nicht beiseite geschafft werden, damit man die Täter nicht im Kloster suche, sondern von auswärts her? Und denkt ihr jetzt nicht selber an einen Raubmord, just weil diese Sachen fehlen? Wird wohl alles gut erwogen worden sein vorher, denk ich, Herr Stadtschreiber!“ Dieser sah den ehemaligen Leibdiener an, wie wenn ihm etwas geoffenbart worden wäre, und er las auf den Ge¬ sichtern der Gäste am Stammtisch deren Zustimmung zu den Worten Gerolds. Er wollte noch um etwas fragen, aber da kam ein neuer Gast zum Tisch und begann Neuigkeiten aus der Stadt aus¬ zukramen, und damit hatte dieses für jeden so wichtige Gespräch ein jähes Ende gefunden und jeder konnte über die Sache denken wie er wollte, ohne sich darüber äußern zu müssen. Aber von diesem Abende an verbrei¬ tete sich in der Stadt das Gerücht, die Mönche in Garsten hätten ihren Abt er¬ mordet, und wer es nicht glaubte und das war die große Mehrheit der Bewoh¬ ner Steyrs wurde auf die geheimnis¬ vollen Aeußerungen Gerolds verwiesen welchen Meister Werner und der Tuch¬ scherer Jakob ebenso dunkel in Wort und Mienen beipflichteten, und man war so zur Ansicht gekommen, Gerold wisse mehr als er sagen wolle und dürfe über die Vorgänge draußen in Garsten. V. Nach den traurigen Ereignissen im Garstener Kloster hatten sich im Hause Meister Werners mancherlei Veränderun¬ gen ergeben. Auf die Frau des Meisters hatte der grausame Tod ihres Bruders sichtbar nur jenen Eindruck hervorgerufen, wie es sich aus dem verwandtschaftlichen Grade von Schwester und Bruder ergibt, verstärkt durch die seltsamen Umstände beim Ableben des letzteren. Die Gundel betrauerte wohl auch den Ohm, bei ihr kam aber eine seelische Er¬ regung und Erschütterung anderer Art hiezu. Als sie die gräßliche Art ver¬ nahm, wie der Abt geendet hatte, war sie starr vor Schreck, der sich aber bald in Entsetzen, in Furcht und Scheu ver¬ wandelte, nicht allein vor dem Verbrechen, auch vor den Verbrechern, und unwill¬ kürlich hatte sie das drückende und pei¬ nigende Gefühl, sie stünde den letzteren vielleicht sehr nahe. Sie wagte sich das selber nicht zu gestehen, denn sie hielt das für eine Sünde schwerster Art, Vater und Bruder auch nur in Gedanken einer olch' entsetzlichen Tat zu beschuldigen, aber es nagte in ihr und raubte ihr den Schlaf und machte sie bei jedem Geräusch erschreckt zusammenfahrend und jedes me¬ tallerklingende Ertönen brachte ihr die Häscher des Stadtrichters vor das geistige Auge. Unwillkürlich hielt sie sich von jetzt ab dem Vater und den Brüdern gegen¬ über sehr verschlossen und sah sie gar nicht an, denn sie fürchtete, ihre Gefühle zu verraten. Dem Meister und seinen Söhnen war das „zimperliche Ding“ schon längst im Wege und als die Feld¬ arbeiten Ende Oktober aufhörten und Gundel im Hause schaffte, gab es seitens des Meisters und Gerolds, der jetzt zu Hause den großen Herrn spielte, täglich bissige Reden und allerlei Anspielungen über Gundels Entbehrlichkeit und Faul¬ heit, und als diese eines Tages dem Gerold, der ihr wieder derlei vorwarf, entgegnete, fauler und entbehrlicher im Hause wie er könne sie doch nicht sein, schrie der Meister in großer Wut: Schweig', faule Dirne, du verdienst dir nicht ein Stück Brot im Tag, ge¬ schweige denn, daß ich dich erhalte! Jede andere an deiner statt wäre schon lange wo im Dienste und ließe sich nicht von Vater und Brüdern erhalten! Gehl
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