110 fanden sich weder in des Abtes Wohnung noch im Kloster Blutspuren oder sonstige Anzeichen, die darauf schließen ließen. So war denn die Untersuchung über den traurigen Fall bald beendet und mit dem Leichenbegängnisse des Abtes schien die Sache erledigt, zumal der Leibdiener Gerold entlassen wurde und die Vorbe¬ reitungen zur Wahl eines neuen Abtes in Garsten aller Aufregung im Kloster eine andere Richtung gab. Nicht so war es aber in Stadt Steyr, wo das entsetzliche Ende des Abtes Leon¬ hard die Bewohner nicht so rasch zur Ruhe kommen ließ, denn er war ein Stadt Steyrer Kind und bei vornehm und gering wohlgelitten. Wie sehr sich hier alles damit befaßte, die Einzelnheiten über dessen Tod zu ergründen, zeigte sich am deutlichsten in den Gesprächen an den Stammtischen der Wirtshäuser, und Meister Werner, besonders aber Gerold, der ge¬ wesene Leibdiener des Abtes Leonhard hatten in den ersten Tagen nach dessen Tod vollauf zu tun, alle Anfragen zu beantworten, welche teilnahmsvolle oder nur neugierige Bürger an sie stellten. „Warum wollt ihr denn grad von mir mehr wissen, als ich selber weiß“, sagte Gerold, der mit mehreren Bürgern einige Tage nach der Beerdigung seines Oheims beim „einäugigen Hans“ abends am Stammtische saß, als diese ihn wieder mit allerlei Fragen belästigten, sehr unwirsch. „Ich kenne die Leute nicht, mit denen der Abt verkehrte, er stand mir nie Rede und hat mich immer nur als Diener, nicht aber als Neffen behandelt. Uebrigens fragt doch im Kloster zu Garsten an, ich glaube, die hochwürdigen Herren dürften, trotz ihrer gegenteiligen Versicherungen, mehr von der Sache wissen!“ Und Gerold sah mit der gleichgültigsten Miene zur Tür und winkte den Wirt herbei und hielt ihm seinen leeren Krug zum nachfüllen hin. „Oho, läuft's da hinaus?“ fragte einer aus der Runde, „dacht ich's doch, daß der Schlüssel zum Geheimnis im Kloster sei. Laßt hören, Gerold, man behauptet, die Mönche standen nicht auf allzu gutem Fuße mit dem Abte?“ „Hm, allerdings“ sagte Gerold lang¬ sam, „der Abt war ein gar strenger Herr und weiß ich auch nicht, was die Ursach war, so bin ich doch nicht so dumm, daß ich es nicht merkte, daß er ihnen sehr ungelegen war zu Zeiten.“ „Und wie äußerte sich denn das?“ frug der Stadtschreiber, der bisher nur zugehört hatte, jetzt recht lebhaft, denn in ihm steckte so ein wenig von einem Richter, „ich meine, die Mönche mußten doch hie und da mit dem Abte lebhaftere Er¬ örterungen gehabt haben? Den Habit in Ehren, sind aber auch nur Menschen deren Träger!“ „Ei, wie denn nicht, Herr Stadt¬ schreiber“, meinte Gerold und man konnte erkennen, daß er jedes Wort sorgsam wählte und überdachte, ehe er es sprach „es gab in letzter Zeit oft Zank und Hader, auch am Tage der schrecklichen Tat.“ „Weiß es wohl“, pflichtete ein Bürger bei, „war mit im Konvent damals, hatte eine Sache, die verhandelt werden sollte die Herren drohten sogar dem Abte, sich's 7 gewaltsam zu ändern „Nun, seht ihr's“ meinte Gerold, listig lächelnd, „wenn ich das sagte, ihr hättet mir ja doch nicht geglaubt. Der Abt kam hernach sehr aufgeregt in seine Wohnung und befahl mir, allerlei Kleider einzupacken, wollte selbigen Tages noch verreisen. „Und was schließt ihr daraus?“ fragte der Stadtschreiber, dessen Anteilnahme am Gespräche sichtlich im Wachsen be¬ griffen war. „Was ich daraus schließe, ist wohl einerlei“ sagte Gerold sehr geheimnisvoll tuend, „schweigen ist Gold — könnt mir ehr übel bekommen, sagt ich Dinge, die mich nichts kümmern. „Na, haltet nur nicht so hinterm Zaun mit euerer Weisheit“, meinte der Stadtschreiber, „sind lauter rechtschaffene Männer hier, wird euch keiner verzünden, so ihr ehrlich von der Leber weg redet!“ „Wenn ihr es haben wollt“, sagte Gerold, achselzuckend, „so sei es. Aber
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2