erstenmale zum Tische des Herrn schritt, und das sie hoch in Ehren hielt. Es stellte den Erlöser, betend am Oelberge dar, in den Lüften über ihn schwebend ein Kelch und darunter die Worte: „Laß den Kelch des Leidens an mir vorüber¬ gehen! Das Bildchen war durchaus kein Kunstwerk, aber es war so lebenswahr und ihr schon deshalb lieb und wert, da es ein armer Verwandter von Gundel gemalt hatte, der sich dadurch, daß er olche Bildchen um einen kaum nennens¬ werten Preis an den Pfarrer verkaufte, der sie gern den Kindern als Belohnung gab, sein Brot kümmerlich aber redlich erwarb Der gute Alte war nun auch schon lange tot und Gundel bekreuzigte sich und murmelte: „Er hat den Kelch des Leidens aus¬ Maria, hilf, daß mein Kelch des gekostet, wenn auch nur diesmal, an uns Leidens, eht! vorüber anderen Morgen rief sie ihr g Am Vater. „Bevor du am Feld droben zu arbeiten beginnst, schau nach Garsten hinab zum Abt — der Gerold ist krank geworden vermelde das dem großen Herrn, damit er nicht ungnädig wird gegen seinen Leib¬ diener könnt ihn sonst entlassen! Sag ihm, der Gerold wird bald wiederkommen, so er nur auf kann!" Der Meister hatte das sehr rauh ge¬ sprochen und nicht ermangelt, einzelne Worte recht höhnisch zu betonen, wie das eine Art war, sprach er von dem Schwager. Die Gundel hatte sehr auf¬ merksam zugehört und wollte schon er¬ widern, daß sie wohl wisse dem Gerold fehle nichts, der sei nur faul und habe einen Katzenjammer, und sie würde den Abt nicht belügen, das solle der Herr Vater oder ein anderer tun. Plötzlich aber durchfuhr sie ein Gedanke, blitzartig schnell, sie nickte nur zustimmend, zog Schuhe und eine bessere Jacke an, um doch anständig gekleidet vor den Abt treten zu können, nahm Sichel und Korb und ging aus dem Hause. Kaum etliche 105 Schritte davon entfernt, klärte sich ihr finsteres Gesicht plötzlich auf und sie dachte fast ganz laut: Eine Notlüge ist ja erlaubt — gut, der Gerold ist also krank!“ Im Weiterschreiten nach Garsten hin überlegte sie wohl, was sie dem Abte sagen wollte, hoffentlich verstand er sie auch. Nicht weit mehr vom Kloster entfernt, sah sie den Abt aus der Kirche heraus und in das Klostertor treten!), er hatte also eben seine hl. Messe beendet und ging in seine Wohngemächer. Der Weg dahin war ihr bekannt, sie war ja mit ihrer Mutter schon oft dagewesen. Es hinderte sie auch niemand daran, in das Stockwerk hinaufzuschreiten, wo der Abt wohnte und wo keine Klausur obwaltete, denn der Abt hatte täglich mit Laien viel zu tun und konnte sich nicht ganz abschließen von der Welt, wie die anderen Klosterinsassen, die jetzt bereits ihrem Tagewerk oblagen und daher um diese Zeit auch niemandem in den Weg kamen. An der mit einem Holzgitter abge¬ schlossenen Gangtür wartete Gundel einige sich Augenblicke, nicht zagend, nur um etwas zu beruhigen, dann läutete sie. Der schrille Klang der Glocke rief den Abt herbei, der selber öffnen kam, da ja sein Leibdiener nicht zu Hause war. Er ah erst prüfend von der Türe seines Arbeitszimmers heraus nach dem Gitter, dann kam er her, zog den Riegel zurück und sagte, als das Mädchen ihm ehr¬ erbietig die Hand küßte, nur in seiner kurzen Weise: „Ja so meiner Schwester Tochter, die Gundel! Ist wohl wieder etwas los bei euch zu Hause? Die Gundel nickte nur und trat hinter dem Abte in die Stube ein, knixte und sagte ihr „Gelobt sei Jesus Christus! wie es so der Brauch war, und der Abt 62 sein erwiderte ebenso ruhig zum Gruß „in Ewigkeit, Amen!“ Dann betrachtete das Gesicht des er einen Augenblick ##l ihm dessen Mädchens, vielleicht, 1) Die Kirche zu Garsten stand damals außerhalb des Grabens, der das Kloster schützend umgab.
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