102 es mit seinen epheuumrankten, vergit¬ terten Fenstern nicht so trotzig und finster aus wie die nachbarlichen Gebäude und der peinlich sauber weiß gehaltene Anstrich vervollständigte den freundlichen Eindruck und gab dem ganzen einen Zug von Wohl¬ habenheit im Ton. Wohlhabend war nun Meister Werner derzeit nicht mehr, aber er war es ge¬ wesen. Er selbst hatte fleißig geschaffen im Leben und sein Weib die Pfennige gar wohl zusammengehalten, und als ihr Bruder Leonhard im Jahre 1488 Abt von Garsten wurde!), schenkte er den Leuten einige Stück Felder drüben an der Garstnerstraße die Frau und Tochter fleißig bearbeiteten und manche Erleich¬ terung im Hauswesen schafften durch die kleinen Nebeneinnahmen, die sie brachten Allein mit der Erwählung seines Schwagers zum Abte von Garsten wurde Meister Werner plötzlich ein anderer. Der Hochmut fuhr in ihn, er wollte nicht mehr arbeiten, benahm sich als großer Herr, spielte und trank und war mehr in den Schenken der Stadt, als zu Hause bei der Arbeit. So nützten dem Meister auch die zahlreichen Kunden nicht, die er durch seine vornehme Verwandtschaft er¬ halten hatte, denn die verloren sich all¬ mählich, als er dem einen das Wams zu enge, dem andern den Mantel zu kurz und dem dritten Kleider aus schlechten Stoffen, sehr teuer und erst nach langem Warten und mit viel Grobheiten als Draufgabe lieferte. Der Meister entließ nach und nach die Gesellen und die Lehrbuben, da er keine Arbeit mehr für sich hatte, tat selber auch weiterhin nichts als trinken und spielen und belästigte den Abt von Garsten fortwährend mit Geldpumpereien, und als auch dieser Brunnen versiegte und sein Schwager ihm endlich klar machte, daß er nicht gewillt sei, Wasser in die Enns zu tragen und einen Ver¬ schwender zu unterstützen, schimpfte sich Meister Werner über den „protzigen“ „geizigen“ und „hochnasigen, „stolzen“ 1) Leonhard II., Knieschenk mit dem Familiennamen, ein Steyrer, war Abt von Garsten vom J. 1188 — 1493. Herrn Schwager in allen Wirtshäusern und zu allen Leuten so gründlich aus, daß alles dem ganz verkommenen Meister gern aus dem Wege ging, was er wieder einem Weibe entgelten ließ, welches Schimpfworte und Prügel von dem Gatten in christlicher Demut hinnahm und sich mit der Gundel dafür desto eifriger um das liebe Brot abrackerte und die Pfennige sich vom Mund und von der Wirtschaft absparte, die der Mann wieder vertat. Ebenso wüste Gesellen, wie der Meister in wenigen Jahren einer geworden war wurden, seit der Bruder ihrer Mutter zum Abt gewählt wurde, auch die zwei Söhne Meister Werners. Jakob, der ältere, war seines Zeichens Tuchscherer, arbeitete auch nimmer, sondern half dem Vater redlich beim Geldvergeuden, und Gerold der als Leibdiener des Abtes sehr angenehm hätte leben können, hielt wacker mit und spielte weniger den Leibdiener seines Herrn Vetters als dessen Leib¬ quäler, nachdem der Abt, seiner Schwester wegen, über deren rohe Behandlung eitens ihres Mannes er sich gar sehr grämte, gegen den frechen und faulen Neffen nur allzu nachsichtig war. Das waren die Kümmernisse, von denen die Gundel, die jetzt heimschritt, dem Leibknappen Paul Andeutungen ge¬ macht hatte und welche das sonst willens¬ starke Mädchen zu Hause scheu, ver¬ schlossen und erbittert machten, so daß sie ihrem Vater und ihrem Bruder gern aus dem Wege ging, zumal von dem sauberen Kleeblatt ihre Arbeitslust und Sittsamkeit gar oft verhöhnt wurde. Als die Gundel beim Gebetläuten am Felde droben ihre Arbeit beendete und dann heimschritt, saßen in der großen Stube in Meister Werners Hause, die sonst als Werkstätte gedient hatte, der Meister und seine zwei Söhne um den großen Eichentisch und tranken aus dem mächtigen Zinnkruge Wein, den der Gerold verschafft hatte, denn es war heute nachmittags Besuch beim Abt von Garsten draußen gewesen und der Burg¬ graf hatte beim Weggehen nicht versäumt
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