Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

100 die nun fast allein noch heraußen auf den Aeckern arbeitende Gundel zu sein, denn wie er sie erblickte, huschte es gar reudig über sein ehrliches, gutmütiges Gesicht, er trat ganz knapp an den Rand der Straße, blieb stehen und rief dem Mädchen, das ihn, vertieft in seine Arbeit, gar nicht hatte kommen sehen, lebhaft zu: „Gundel, Gundel, grüß Gott, Gundel! Hörst mich denn nicht?“ Das Mädchen sah auf, hielt einen Augenblick in der Arbeit inne und er¬ widerte ruhig: „Ah, der Sailerer Paul! Hab dich nicht kommen hören? Wohin denn? „Nach Garsten halt, wieder heim“ meinte der Paul, „hab deine Mutter grad beim Tor begegnet und auch mit ihr gesprochen, war nicht in der besten Laune. „Wird halt auch Grund dazu haben“. meinte das Mädchen, „aber halt mich nicht auf, hab' keine Zeit zum schwätzen, muß fertig werden da im Feld. „Das wird schwer gehen, wenn ich K dir nicht dabei hilf, sagte der Knappe und sein Blick sah prüfend über das Aeckerlein. „Möcht sich schön ausnehmen für den Leibknappen des hochwürdigsten Herrn Abtes von Garsten“ scherzte das Mädchen und sah ihn freundlich an, „geh nur hübsch deines Weges. „Ach, was“ meinte der Knappe ent¬ schlossen“ ich hilf dir jäten, hab schon so viel Zeit! Und er sprang behend über den Straßengraben, ergriff eine Haue und begann, einige Schritte von Gundel ent¬ fernt, damit eifrig das Unkraut wegzu¬ schürfen, eine Arbeit, die er dem Erfolge nach wohl verstehen mußte. Bist du in Garsten zufrieden?“ fragte das Mädchen, ohne ihn anzusehen, so leichthin. „Wohl, recht sogar“, antwortete Paul, „deiner Mutter Bruder, der Herr Abt, ist ein gar feiner und ruhiger Herr, ver¬ langt Ordnung und guten Willen, aber das gehört sich doch so — „Denk schon“, nickte Gundel, „so meinen aber wenig Leute von ihm ich kenn' den Abt übrigens sehr wenig.“ „Richtig, ja, dein Vater ist ihmja gram — Die Gundel seufzte leicht und das Gespräch stockte einige Augenblicke. „Wär' auch nit notwendig, daß du dich am Felde so abplagen mußt, Gundel“, begann endlich Paul wieder zu sprechen. „Meinst leicht, daß ich auch vom Gelde meiner Mutter Bruder leben will? fragte Gundel scharf und hielt die er¬ hobene Haue hoch in der Luft und sah etwas trutzig nach Paul hin. „Nein, gab er treuherzig zur Ant¬ wort, „das mein' ich nicht, da hab ich von dir eine viel zu gute Meinung, aber 7 wenn dein Vater und deine Brüder „Ja, wenn — wenn die statt trinken und spielen arbeiten möchten, und um die Lippen des Mädchens zuckte es schmerz¬ lich, „weißt, dir, mit dem ich aufgewachsen bin als Nachbarskind kann ich es ja sagen, du verstehst mein Leid, aber — ich schäme mich, die Tochter meines Vaters zu sein — die Mutter ist so schwach!“ und Sie hatte sich hoch aufgerichtet und die Hand auf den Stiel oben auf der Haue, sah sie blitzenden Auges zu dem Leibknappen hinüber, der ihrem Beispiele folgte und die Haue ruhen ließ. Seine Blicke und seine Mienen verrieten deut¬ lich, daß er die Worte des Mädchens gut verstand und die Gründe wohl zu wür¬ digen wußte, die ihr dieselben, wie ihre Aufregung zeigte, förmlich abgepreßthatten. Er hatte jedenfalls auf ihre Worte etwas erwidern wollen, aber vielleicht fürch¬ tete er das Mädchen, dem er, das hatte er sich schon lange gestanden, mehr als gut war, zu kränken mit seiner Rede; er unterdrückte die Antwort und schwieg und ah sie nur beredt genug an. Gundel schien ihre Aufregung niedergekämpft zu haben, denn plötzlich lagerte sich über ihr hübsches Gesicht ein herber Zug und sie sagte: „Du, Paul, du kommst doch öfter zusammen mit dem Leibdiener des Abtes von Garsten, mit, mit — meinem Bruder?“

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