82 Nelidow, welcher durch den Fürsten Urussow ersetzt wurde, und anderseits die Demission des Ministeriums Zanardelli, denn wenn es auch gewiß ist, daß Zanar¬ delli in erster Linie und formell infolge der stetigen besorgniserregenden Verschlimmerung eines Gesundheitszustands, die bald auchzu seinem Tode führte, seine Demission gab, so ist es anderseits doch ebenso sicher, daß die Absage des Zarenbesuches mitbestimmend für den De¬ missionsentschluß war. Die Demission des Mi¬ nisteriums Zanardelli wurde offiziell am 21. Ok¬ tober 1903 bekanntgegeben. Mit der Bildung des neuen Kabinetts wurde Giolitti betraut, welcher dasselbe in vornehmlich demokratischer Richtung konstruierte. Dasselbe war am 3. No¬ vember wie folgt definitiv gebildet: Giolitti Präsidium und Inneres; Tittoni— Aeußeres; Ronchetti — Justiz; Luzatti —Schatz; Rosano — Finanzen; General Pedotti — Krieg; Admiral Mirabelle —Marine; Orlando — Unterricht; Te¬ — desco — öffentliche Arbeiten; Rava —Posten Ackerbau; Stelluti=Scala und Telegraphen. In dieser Zusammensetzung sollte aber das Kabinett Gioletti nur wenige Tage funktionieren. Noch am Tage, da die neu er¬ nannten Minister den Eid in die Hände des Königs ablegten, eröffnete der sozialistische „Avanti“ gegen den neuen Finanzminister Rosano eine Kampagne, indem er ihn an¬ klagte für einen Betrag von 5000 Lire die Be¬ freiung des Sozialisten Bergamasco aus dem Zwangsdomizil erwirkt zu haben. Infolge dieser — — wie die Freunde Rosanos behaupteten verläumderischen Anklage hat sich Rosano am 9. November in Palermo erschossen; offiziell wurde gemeldet, daß er einem Schlagflusse er¬ legen sei. Aber auch Zanardelli überlebte den Rücktritt vom öffentlichen Leben nicht lange. Er starb am 26. Dezember 1903 in seiner Ville bei Maderno. Mit diesem greisen Staatsmanne der im Jahre 1829 in Brescia geboren worden war, schied einer der hervorragendsten Staats¬ männer Italiens aus dem Leben. Von 1876 an hat er mit Unterbrechungen verschiedene Minister¬ posten bekleidet. Am 15. Februar 1901 wurde er Ministerpräsident, welche Stellung er bis zu seiner oben erwähnten Demission bekleidete. Giuseppe Zanardelli war Demokrat und Liberaler, ein Freund der Freiheit und ein Kämpfer für die Wiedererstehung Italiens; in ihm verlor Italien einen seiner besten Söhne, der sein ganzes Leben der Größe des Vaterlands geweiht. Als am 28. Juni 1903 die italienische Deputiertenkammer vertagt wurde, entbot sie noch vorher dem Ministerpräsidenten Zanardelli herzliche Grüße, in welchen sie ihn als Muster der Vaterlands= und Freiheitsliebe hinstellte und den Wunsch aussprach, daß er noch lange an der Spitze der Regierung bleiben möge — ein Wunsch, der sich aber nicht erfüllen sollte. Am 5. Mai 1904 verlautete, daß sich der frühere Unterrichtsminister Nasi geflüchtet habe nachdem in der Kammer gegen ihn ein Ausliefe¬ rungsbegehren gestellt worden war, und der in dieser Affäre eingesetzte Fünfer=Ausschuß die Er¬ mächtigung erteilt hatte, mit der sofortigen Ver¬ haftung Nasis vorzugehen. Nasi hat sich nach dem Berichte dieses Ausschusses in seiner Eigen¬ schaft als Minister Inkorrektheiten in der Ver¬ waltung seines Ressorts und in seinem sonstigen Gebaren zuschulden kommen lassen, die sich als strafbare Handlungen darstellten. Am 23.Juni 1904 wurde zu Rom das Goethe=Monument, welches Kaiser Wilhelm II. der Stadt Rom zum Geschenk ge¬ macht, feierlich enthüllt. Das Denkmal ist ein Werk des Bildhauers Professor Eberlein. Am 22. August 1903 starb zu Rom Menotti Garibaldi, der älteste, im Jahre 1845 ge¬ borene Sohn Giuseppe Garibaldis aus dessen erster Ehe. In der Deputiertenkammer gehörte er anfangs der äußersten Linken an, später stimmte er mit der gemäßigten Linken. * Der am 4. August 1903 erfolgten Wahl des Kardinals Giuseppe Sarto, Patriarch von Venedig, zum Papst haben wir schon im vor¬ jährigen Berichte eingehend gedacht. Ebenso haben wir dort berichtet, daß sich der neugewählte oberste Hirte der katholischen Kirche den Namen Pius X. beigelegt hat. Frankreich. Die Energie, mit welcher das Ministerium Combes den Kampf gegen die Kongregationen führte, die Unterstützung, welche es hiebei bei den wahrhaft Freisinnigen im Volke, in der Depu¬ tiertenkammer und im Senat fand, welch letz¬ terer u. a. auch eine Bestimmung beschloß, wonach allen Kongregationen ohne Ausnahme der Mittel¬
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