Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

76 ten ausbrach, weil ein im Abgeordnetenhaus eingebrachter Gesetzentwurf über die Gehalts¬ regulierung der Eisenbahnbeamten nicht allen Wünschen der letzteren entsprach, und der ganze Bahnverkehr Transleithaniens — mit Aus¬ nahme der Südbahnstrecke — ins Stocken ge¬ riet, wußte auch hier Graf Tisza mit starker Hand Ordnung zu schaffen. Zunächst sorgte er dafür, daß durch die nach Ungarn kommandierte Mannschaft des Korneuburger Eisenbahn= und Telegraphenregiments wenigstens auf den Hauptstrecken ein Notverkehr installiert und aufrecht erhalten werden konnte; dann erwirkte er einen kaiserlichen Befehl, mit welchem die im Dienste der auf dem Gebiete des ungari¬ schen Staates befindlichen Eisenbahnen stehen¬ den Reservegagisten und Mannschaften des gemeinsamen Heeres (Kriegsmarine) — die un¬ garische Staatsbürger sind — und die in glei¬ chem Dienstverhältnisse stehenden Honvedsein¬ berufen und den ungarischen Staatsbahnen zur Dienstleistung zugewiesen wurden. Damit war der größte Teil der Streikenden unter militäri¬ sche Gewalt und Gerichtsbarkeit gestellt und dem Streik selbst der Boden entzogen. Dies Mittel wirkte — der Streik war zu Ende. 3 Was die Beziehungen Ungarns zu Kroatien anbelangt, so sei erwähnt, daß das in der frühe¬ ren Berichtsperiode infolge schwerer Unruhen über einzelne Teile Kroatiens proklamierte Standrecht am 10. August 1903 wieder aufge¬ hoben wurde, daß es aber auch in der diesmaligen Berichtsperiode an größeren und kleineren De¬ monstrationen gegen Ungarns Fahne und an sonstigen Unruhen in Agram und an anderen Orten nicht gefehlt hat. Am 20. Juni 1904 wurde in gemeinsamer Sitzung der ungarischen und der kroatischen Regnikolardeputation der Gesetz¬ entwurf betreffend die Inartikulierung des zu¬ stande gekommenen finanziellen Uebereinkommens zwischen Ungarn und Kroatien angenommen. Am 3. März 1904 wurde der gewesene un¬ garische Ministerpräsident Graf Khuen¬ Hedervary zum ungarischen Minister am kaiserlichen Hoflager ernannt und am 7. März in dieser seiner Eigenschaft vom Kaiser beeidigt. Am 18. April 1904 erging ein königliches Handschreiben an Graf Tisza, worin dieser an¬ gewiesen wurde, sich mit der Frage der Heim beförderung der Asche Franz Rakoczys II. zu beschäftigen. Damit war einem lange gehegten Wunsche der Magyaren entgegengekommen worden. Im Laufe der Berichtsperiode wurde in Un¬ garn eine Reihe von größeren und kleineren Denkmälern enthüllt, so am 16. August 1903 ein Denkmal der Kaiserin Elisabeth in Bartfeld (Bildhauer Donath); am 2. September ein Denkmal der Kaiserin Elisabeth in Bekas=Megyar bei Budapest (Bildhauer Franz Raab); am 12. Juni 1904 ein Denkmal des Grafen Ludwig Tisza (welcher vor 25 Jahren den Wiederaufbau der durch Ueberschwemmung fast vollständig ver¬ nichteten Stadt Szegedin als königlicher Kom¬ missär durchgeführt hat) in Szegedin (das letzte Werk des Bildhauers Fadrusz) und ein Denkmal des Dichters Nikolaus Zrinyi in Csakathurn. Am 24. August 1903, abends 7 Uhr, brach in dem der Firma Goldberger gehörigen „Pariser Wa¬ renhause“ in der Kerepeserstraße zu Budapest eine schwere Feuersbrunst aus, bei welcher bei 50 Personen — Bedienstete und Parteien des brennenden und der benachbarten Häuser— den Tod fanden und viele mehr oder minder schwer verletzt wurden. Ein Brand, welcher am 10. Oktober 1903 im Ecseder Moor, einem der größten Sümpfe Ungarns, der — durch das Wasser des Kraszna¬ flusses gebildet — sich im westlichen Teile des Ko¬ mitates Szatmar von Kismajtenj bis Nagyecsed erstreckt, ausbrach, rasch ungeheuere Dimensioner annahm und sich weit über 4000 Joch erstreckte, hat sämtliche Häuser der auf vom Feuer voll¬ ständig aufgelockerten Moorboden stehenden Ge¬ meinde Börvely zum Einsturz gebracht, mehrere Personen den Tod in den Flammen finden lassen und Schäden an Eigentum im Betrag von mehreren hunderttausend Kronen verursach. Erst am 15. Oktober gelang es, den Brand zu lokalisieren; am 17. Oktober brannte es noch teilweise im Moor. Am 25. Oktober 1903 erlag in Budapest einem Lungenleiden der Bildhauer Johann Fadrusz, eines der größten und stärksten Bildhauertalente Ungarns. Seine Werke waren u. a. das oben erwähnte Monument des Grafen Ludwig Tisza in Szegedin, das Maria Theresia¬ Monument in Preßburg und das Mathias Corvinus=Denkmal in Klausenburg. Fadrusz war am 2. September 1858 in Preßburg ge¬

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