Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

72 Hochquellen=Wasserleitung verdient gemacht, in¬ dem er im Jahre 1864 der Gemeinde Wien die ihm gehörige Quelle Stixenstein zum Geschenk machte. — Am 29. September starb auf ihrer Villa bei Klagenfurt Marie Geistinger, die einst hoch gefeierte Wiener Operettendiva, an deren Namen sich auch die Erinnerung an die ersten Siege Anzengrubers knüpft. Sie war am 26. Juli 1833 in Graz geboren. Am — 29. September starb zu Berlin Professor Rudolf Falb, der Begründer der Theorie der „kriti¬ schen Tage“ dessen auf diese Theorie begründete Wetterprophezeiungen ihm einen Weltruf ein¬ trugen. Er wurde am 13. April 1838 zu Obdach in Steiermark geboren, widmete sich nach absol¬ vierten Studien zunächst der Theologie und nach Empfang der Priesterweihe dem Lehrfache. 1872 trat er aus dem geistlichen Stande aus, erwarb die Staatsbürgerschaft in Sachsen, wurde Protestant und ging einen Ehebund ein. Sein letzter ständiger Aufenthalt war Berlin. — Am 12. Oktober verschied zu Wien der Architekt Professor Viktor Luntz. Er war am 8. März 1840 in Ybbs geboren, Schüler und Nachfolger Friedrich Schmidts, des Erbauers des Wiener Rathauses, und nach diesem seinen Meister der beste Wiener Kenner und Beherrscher der Gothik. Eines seiner bedeutendsten Werke in Wien war die künstlerisch meisterhafte Durchführung der Restau¬ rierung der Kirche Maria am Gestade (Maria¬ Stiegen) in Wien. Von Luntz rührt auch das nun zur Ausführung gelangende Projekt für die Restaurierung der Minoritenkirche in Wien. Er war seit dem im Jahre 1891 erfolgten Tode Schmidts Professor der Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Am 6. November starb in Venedig der bekannte Genremaler Ludwig Passini. Am 9. Juli 1832 in Wien geboren, war er ein überaus liebenswürdiger Aquarellist, dessen venezianische Sittenbilder in der zweiten Hälfte des ver¬ flossenen Jahrhunderts zu den Kleinodien jeder bedeutenderen Privatsammlung gehörten. Seine Gemälde „Melonenverkäufer“ „Prozession“ „Domherrn im Chor“ 2c. erregten auf den Wiener Kunstausstellungen stets das größte Aufsehen. Am 8. November starb in der Inzersdorfer Privat¬ heilanstalt der Baritonist Willibald Horwitz Er war im Jahre 1843 in Teplitz geboren und gehörte durch zwei Dezennien, von 1880 bis 1900, der Wiener Hofoper an, zu deren musi¬ kalisch tüchtigsten und verläßlichsten Stützen er zählte. — Am 13. November verschied in Brixen der Genremaler Leopold Burger. Er war am 9. Oktober 1861 in Wien geboren; ein schweres Siechtum verkümmerte die letzten Lebensjahre des Künstlers und ein tragisches Geschick machte die Amputation seines von Knochentuberkulose erfaßten Armes notwendig. Diese körperlichen Leiden beeinflußten die letzten, von dem voll aus dem Leben schöpfenden und scharf beobachtenden, trefflichen Künstler geschaffenen Gemälde. Tod, Krankheit, Leid, das waren die Stoffe, welche in diesen Werken die Phantasie des Künstlers be¬ herrscht hatten, der doch früher so viel Gesund¬ heit und Frische aus seinen Gemälden sprechen ließ. Wohl sein bekanntestes und populärstes Werk war eine Dorfgeschichte in vier Bildern „Die vier Jahreszeiten“ benannt, eine fröhlich beginnende, tragisch endende Liebesaffaire. 42 Am 16. November verschied in Wien Regie¬ rungsrat Kamillo Sitte, ein hervorragender Architekt und Kunstschriftsteller. Von ihm stammt u. a. die Mechitaristen=Kirche in der Josefstadt zu Wien, welchen Bau Sitte in deutscher Renaissance zu einer Zeit aufführte, da dieser Stil im neuen Wien noch nie zur Anwen¬ dung gekommen war. Sein literarisches Haupt¬ werk war: „Der Städtebau nach seinen künst¬ lerischen Grundsätzen.“ Sitte war am 18. April 1843 in Wien geboren worden. — Am 26. De¬ zember verschied zu Stuttgart der sozialistisch angehauchte Nationalökonom Professor Dr. Albert Schäffle im Alter von 72 Jahren. Er war am 24. Februar 1831 zu Nürtingen im König¬ reich Württemberg geboren, spielte aber auch in Oesterreich eine politische Rolle, indem er an¬ fangs der Siebzigerjahre durch zirka ½ Jahr als Handelsminister im tschechisch=feudalen Mini¬ sterium Hohenwart fungierte. — Am 28. De¬ zember starb in Wien der ehemalige Erzieher des Kronprinzen Rudolf, Herrenhausmitglied FML. Josef Latour von Thurmburg geboren am 2. Februar 1820 in Wien. Am 20. Jänner 1904 starb in Wien das Herrenhausmitglied Oberingenieur Ferdi¬ nand Ritter von Mannlicher, der Erfinder des Mannlicher=Gewehres (1886). Ob¬ wohl in Mainz geboren (30. Jänner 1848), darf Mannlicher doch zu den Oesterreichern gezählt werden, denn sein Wirken vollzog sich in seinem Adoptivvaterlande; in Oesterreich erfand und

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