Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

54 buketts, aus dunklen, gelben, weißen und rosa Rosen, immer jedes Bukett von einer Farbe. Der Referendar führte mit dem schönen, jungen Mädchen den Kotillon an. Elisabeth spielte — beobachtete aber pochenden Herzens — wem er wohl die Rosen bringen würde? Lange suchte er in dem herrlich duf¬ tenden Korbe, bis er fand, was er suchte ein wunderhübsch gebundenes Bukett aus dunklen, prachtvollen Rosen Elisabeths Lieblingsblumen — wem würde er sie wohl bringen? Er stand mit dem Rücken gegen das Instrument plötzlich drehte er sich um und kam mit den Blumen auf Elisabeth zu, um ihr mit einer tiefen Verbeugung die Rosen auf den Flügel zu legen. Dem jungen Mädchen stockte der Herz¬ schlag, sie fühlte, wie eine tiefe Röte ihr Gesicht bedeckte und sie wunderte sich nur mechanisch daß sie nicht daneben griff — spielte sie weiter, indem sie sich dankend gegen ihn verneigte, selbst wohl nicht wissend, welch' reizendes Bild sie in ihrer Verwirrung bot. Er trat wieder zu seiner Dame und Elisabeths Blick flog zu Frau v. H., die sie so eigentümlich lächelnd ansah dann zu Fräulein Lucie, die neben ihrem Tänzer dasaß — aber welchem Blicke be¬ gegnete sie da, zwei große, kalte, graue Augen blickten sie drohend an und bohr¬ ten sich wie harte Stahlklingen in ihr — — Gesicht es durchschauerte sie sie blickte schnell weg. Der Kotillon warzu Ende, es sollte nun soupiert werden. Elisabeth wollte weg, sie hatte sich um diese Zeit eine Droschke bestellt, die ge¬ wiß schon unten stand. Doch Frau v. H. trat zu ihr und lud sie so freundlich ein, an dem kleinen Souper teilzunehmen, daß sie meinte, sie könne es kaum ab¬ schlagen. Sie nahm ihre Rosen und trat vom Instrument weg, um zu den jungen Mädchen zu gehen; da kam der Referen¬ dar mit Fräulein Lucie auf sie zu. Mit ungemein höhnischem Gesicht blickte letztere sie von oben bis unten an, indem sie sagte: „Ach, siehe da, Frl. v. N., jetzt erst erkenne ich Sie, wie konnte man auch in der gewerbsmäßigen Spielerin, die zum Tanz aufspielt, das einst so gefeierte Frl. v. N. vermuten?“ Elisabeth wurde leichenblaß, es war ihr, als habe sie einen Schlag ins Gesicht bekommen, sie fühlte tief, tief den Schimpf, den ihr Bosheit und Neid an¬ getan, sie fühlte ihn vielleicht noch tiefer, weil es in Gegenwart des Referendars geschah. Sie fand keine Antwort auf die Schmach, fühlte nur eine heiße Träne in ihrem Auge brennen. Da kam die Hilfe. Der Referendar „ nahm ihre Hand, führte sie ehrfurchtsvoll an seine Lippen und sagte: „Ich danke Ihnen und bin gewiß damit der Dolmetsch der ganzen Gesellschaft (dies betonte er), für die große Liebens¬ würdigkeit, mit welcher Sie Ihr Talent zu unserer Verfügung gestellt haben, gnä¬ diges Fräulein. Ich darf wohl um die Ehre bitten, das gnädige Fräulein zu Tisch zu führen?“ fügte er fragend hinzu, als man zum Souper ging, indem er ihr seinen Arm bot. Das Paar entfernte sich nach dem Speisezimmer zu, hinter sich Fräulein Lucie lassend, die ihnen mit wutentstellten Blicken, wahrhaft ent¬ geistert nachblickte, bis sie ebenfalls von einem Herrn zu Tisch geführt wurde. Ostern waren gekommen, Elisabeth war eine andere geworden — blaß und still ging sie ihre Wege; die Tante sah es mit bekümmertem Herzen, sie wußte ja, was am Herzen des jungen Mädchens nagte denn Elisabeth selbst hatte der ge¬ liebten Tante ihr ganzes Herz geöffnet, den Tag nach dem Tanzfeste war es ge¬ wesen — nun war schon eine lange, lange Zeit darüber hingegangen. Eines Tages, als das junge Mädchen nachhause kam, empfing die Tante sie mit den Worten: „Denk' dir nur, Herzenskind, Frau v. H. war bei mir. Ueberrascht blickte Elisabeth auf. „Frau v. H.? Und was wollte sie?“ frug sie, in¬ dem sie die alte Frau erwartungsvoll anblickte. „Sie wundert sich, daß du sie nicht einmal besuchst, ich hab’ ihr versprechen müssen, mit dir einmal zu ihr zu kom¬

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