52 so manches entbehren mußte und den Vater vermißte sie so sehr. Die Wunde, die ihr sein plötzlicher Tod geschlagen, war noch zu frisch. Und daß der Vater mit so schweren Sorgen gekämpft, sie hatte es ja nie gewußt, sonst hättesie die glänzende Partie, die sich ihr einst geboten, gewiß nicht ausgeschlagen; sie liebte den Mann nicht und Elisabeth hatte ihre Ideale, eine Ehe ohne Liebe, wie so viele ihrer Freundinnen einge¬ gangen, nur um verheiratet zu sein, war ihr stets ein schrecklicher Gedanke ge¬ wesen, aber mit tausend, tausend Freuden hätte sie das Opfer ihres Glückes ge¬ bracht, konnte sie dadurch den Vater retten. Sie wußte aber von nichts, der große Hausstand ließ auf nichts schließen und so mußte eben alles so kommen, wie es gekommen war. „Referendar D., Fräulein v. N.,“ stellte Frau v. H. eines Tages Elisabeth einem jungen Manne vor, mit dem sie während des Unterrichtes den Tanzsaal betreten. Der Referendar war ein Neffe von Frau v. H. und jetzt erst kürzlich nach der Re¬ sidenz versetzt und zu Besuch hier gewesen und hatte sich bei dieser Gelegenheit die hübsche Tanzstunde mit ansehen wollen. Merkwürdig, seit dieser Zeit war er oft zugegen und Elisabeth sah und noch mehr fühlte sie es, mit dem feinen Gefühl, das manchen Menschen eigen ist, daß die oft dunklen Augen des jungen Mannes und lange auf ihr ruhten. Er sprach aber nur selten mit ihr, unterhielt sich in den Pausen mit der Tanzlehrerin oder scherzte und sprach mit seinen Ver¬ wandten. Elisabeth stand in der Mitte des Zim¬ mers, im weißen, duftigen Kleide, dunkel¬ rote Rosen im blonden Haar; die Tante, die eben die letzte Hand an die Toilette gelegt, vor ihr, sie mit freudigem Blick betrachtend, denn sie sah wirklich reizend aus. „Das Kleid sieht ganz wie neu aus Elisabeth, und es kleidet dich so gut. „Wie hast du dich aber auch damit ge¬ plagt, du liebes Tantchen du, antwor¬ tete das junge Mädchen. „Deinem Ge¬ schicke, deiner Güte, deinem Fleiße habe ich es zu danken, daß ich mir kein neues Kleid zu kaufen brauchte, denn ich hätte doch eines haben, oder — absagen müssen,“ setzte sie langsam, wie träumend hinzu — sie gedachte des Augenblicks als Frau v. H. sie bat, zu dem kleinen thé dansant, das heut als Abschluß der Tanzstunde stattfand die Begleitung zu übernehmen und wie sie im Begriff stand es abzuschlagen, plötzlich aber die dunklen Augen des Referendars, der dabei stand so bittend auf sich gerichtet sah, daß sie es, fast ohne es zu wollen, annahm. Die Tante lächelte, sie las in dem Her¬ zen des jungen Mädchens, das sich längst verraten, denn von keiner Tanzstunde sprach sie so viel, wie von der H.'schen und kam der Name des Referendars über ihre Lippen, so bedeckte ein verräterisches Rot ihre Wangen. Aber — wie sollte, wie würde es enden? Der Referendar chien sich ja sehr für Elisabeth zu in¬ teressieren, aber wie die junge Männer¬ welt von heute war, Geld und abermals Geld, würde er, trotzdem daß er sehr gut * situiert war ein armes Mädchen hei¬ raten? Sie seufzte tief auf und legte ihre Sorgen und ihre Lasten, wie immer, am Fuße des Kreuzes nieder. „Aber nun geh', mein Kind, es ist Zeit,“ sagte sie jetzt zu dem jungen Mäd¬ chen, ihr den Mantel reichend und ihr die Kopfhülle umlegend, sie zärtlich auf die Stirn küssend. „Leb' wohl, Tantchen, geh' schlafen warte nicht auf mich, denn ich werde spät kommen, hörst du?“ „Ja, Kind, sorge dich nicht meinet¬ wegen. Erkälte dich nicht und — amüsiere dich.“ Im hellerleuchteten Saale bei Frau v. H. war die Gesellschaft schon vollzäh¬ lig, als Elisabeth eintrat; da waren noch Herren und Damen, die nicht zu dem Zirkel gehörten, die aber, als die Intimen des Hauses, zu dem kleinen Fest geladen waren. Elisabeth wurde vorgestellt — der Referendar sprach eben mit einem bild¬ schönen, sehr elegant gekleideten jungen Mädchen, einem Fräulein so und so, den
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