Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

Ja, Skizze von der masurischen a 2 22 015 habe die Ge¬ erwünscht, ich schichte satt! Satt bis 5hier!“ Und Frau Prokoffs weiße Hand fuhr mit einer heftigen Bewegung quer über das schlanke Hälschen. „Na, dann mach' doch ein Ende!“ sagte ihre phlegmatische, ältere Schwester, die mit einem Strickstrumpf am Fenster saß. Minna Brasch saß immer mit einem Strickstrumpf am Fenster. Frau Grete Prokoff starrte zornig die korpulente Dame mit dem grauen Scheitel und dem gutmütig platten Ge¬ sicht an. „Minna, weißt Du, tu' mir schon den Gefallen und sei still. Klug reden kann jeder. Minne schwieg also und zählte die Maschen auf ihrer Nadel. Dann wandte ie die bebrillten Augen hinaus auf den Wirtschaftshof, wo natürlich alles in Ordnung war. Was sollte denn auch nicht in Ordnung sein auf diesem kleinen Mustergut, das schon der selige Prokoff in so tadellosem Zustand hinterlassen und das seitdem seine junge Witwe mit so klugen und festen Händen weiter be¬ wirtschaftet hatte? Mit ihrer, Minnas, Hilfe selbstverständlich! Sie war der 45 dann! Grenze. Von E. Fahrow. Minister des Innern hier; aber Grete, ja, die war die regierende Herrin. Paßte auch dazu! Man ließ sich ganz gern von ihr regieren. „Scherereien und kein Ende!“ räson¬ nierte Grete weiter; „Jagd und Grenze und Taglöhner und Knechte —nee, Freundchen, jede Geduld geht einmal zu Ende! Ich hab's satt, sag' ich; und das werd' ich Dir jetzt klar machen.“ Wen sie mit diesem „Freundchen“ meinte, das wußte Minna ganz gut. Na¬ türlich war es dieser Wendumeit, dieser getreue Nachbar, der mit seinem masu¬ rischen Dickschädel immer neue Plagen für die Schwester ausdachte! Weil sie ihm nämlich einen Korb gegeben hatte! Dafür rächte sich nun der edle Herr in seiner Weise! Oh, es sah ihm ähnlich, ganz ähnlich! Die letzten Worte ihres Gedanken¬ ganges äußerte Minna laut und nickte dazu auf ihren wolligen Strickstrumpf hernieder. „Was sieht ihm ähnlich?“ fragte Grete, die nachdenklich im Zimmer auf= und ab¬ gegangen war. „Nun, alle diese Niederträchtigkeiten. Ist ja ein scheußlicher Charakter, der Wendumeit. „So? Du kennst ihn ja doch gar nicht, liebe Minna. Wenn Grete „liebe Minna“ sagte, war sie sehr gereizt, das wußte der Minister des Innern schon. Schweigen war in diesem Falle Gold, auch das wußte Minna; aber sie hatte nun einmal eine Vorliebe für Kleingeld und murmelte vor sich hin: „Persönlich braucht man so 'n Kerl auch gar nicht zu kennen; seine Taten genügen.“ „Ach was, Taten! Schließlich beklagt er sich doch immer nur über meine Taten. Und jedesmal hat er doch recht gehabt! Was nützt denn das Blindtun! Minna starrte ihre Schwester durch die dicken Brillengläser an. Sie war dies¬

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