42 wisperte: „Sicher is' er auch zur Kirch¬ weih — der Streuer, der alte! Man muß sich einmal überzeugen, was d'ran is'!“ Nun ging ein Tuscheln, Zischeln, Vor¬ schlagen, Bedenken, Zureden und gegen¬ eitiges Sich=anfeuern los, bis zuletzt etwa eine Viertelstunde später eine nach der anderen von den dreien vorsichtig die Stube verließ und anscheinend einen ge¬ mütlichen Sonntag=Nachmittagsspazier¬ gang in Feld und Wald hinaus unter¬ nahm. Tatsächlich aber trafen sie sich, nach¬ dem sie behutsam gegen alle Seiten Um¬ chau gehalten hatten, bald darauf vor dem abgelegenen Holzapfelhäusl. Die Bürgermeisterin blickte auf — es war, wie immer, unverschlossen —und sie chlüpften hinein. In derStube drinnen krächzend und tickte die alte Wanduhr chnurrte im ächzend und die Katze Schlaf, weil sie von einer etten Feld¬ maus träumte. Sonst wars still. Und so blieb es auch im großen und ganzen. Nur hier und da klappte eine Schere, das das Stroh spröde Sackzeug raschelte, Staubwolke knisterte und eine leichte stieg auf. Die drei Weiber hockten über ihr Werk gebeugt, erregt, mit roten Köpfen — und wühlten — und wühlten und wühlten. Einmal erschien außen am Fenster un¬ bemerkt und rasch ein Gesicht und guckte durch den Spalt des vorgeschobenen, knallroten Vorhangs. Wer das Mienen¬ spiel des Lauschers beobachtet hätte, würde ein boshaftes, pfiffiges Lächeln bemerkt haben. Aber dann war es schon wieder verschwunden. Schließlich gab es drinnen ein zorni¬ ges, enttäuschtes Brummen und Zetern, ein heftiges, mit schlechtem Gewissen vollbrachtes Aufräumen und Wiederzu¬ ammenflicken, ein Verwischen der Spu¬ ren und ein entmutigtes, verschämtes Wegschleichen aus dem Häusl. Der alte Lenz hatte lange nicht mehr so gut geschlafen, wie diese Nacht. War die idele Kirchweihunterhaltung daran chuld gewesen oder das frische Auf¬ rütteln des Strohs oder hatte ihm ein lustiges Vorhaben das Herz so leicht ge¬ macht — wer weiß. Am anderen Tage schnitt er jedenfalls ein sehr betrübtes Gesicht, als er zum Bürgermeister kam und den um eine ver¬ trauliche Unterredung bat. Der Dorfälteste kam nachher ganz be¬ türzt in die Küche. Eine schöne Ge¬ schichte erzählte er seiner Eheliebsten — und Beraterin unter dem Siegel tiefster Verschwiegenheit — da sei eben der Lenz dagewesen, ganz desparat und ausein¬ ander, gestern wär’ ihm all sein Erspar¬ tes aus dem Strohsack gestohlen worden dreihundert Mark — und nun wüßt' er nicht, was tun. Wahr sei's ja gewiß; denn daß der Lenz Geld im Strohsack gehabt habe, wisse ja jedermann — und eine greuliche Blamage wär's auch, wenn man das Gericht ins Dorf bekäme, wo eit Jahr und Tag nichts vorgekommen. Die Bürgermeisterin, über's Herd¬ feuer gebeugt, war einmal weiß und ein¬ mal rot geworden. Jedenfalls, meinte sie dann etwas gedrückt, dürfe man gleich nichts tun, sondern müsse sich alles wohl überlegen und inzwischen das strengste Geheimnis darüber bewahren. Ueberlegen — das paßte dem Bürger¬ meister immer, der kein Mann der raschen Tat war. So ging er einstweilen seinem Tagewerk nach. Seine Frau aber lief mit braunrotem Kopf hinaus und ließ durch die Stall¬ dirne sofort die Schweizerbäuerin und die Selchenhoferin zu einer außerordent¬ lichen Sitzung im Hinterstübl zusammen¬ trommeln. Was dort geschah, hat nie jemand er¬ fahren; sonst hätte er von ohnmächtigen Tränen der Wut und unheimlichen Ver¬ wünschungen über den alten Lenz er¬ zählen hören können, der der abgefeim¬ teste Loder war, den es gab. Aber was half schließlich alles? gelten Wollte man nicht als Diebin so er hatte ja offenbar gelauscht
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