Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

33 Der Goldbauer oder Zigeunerrache. Von Arthur Eugen Simson. m äußersten Ende des Dorfes schlanken Burschen ihres Stammes im & Waldhaim in Böhmen liegt Tanz; da üben sie allerlei kurzweilige □ ein kleines, verfallenes Häus¬ Künste, und wenn der Dudelsack und chen. Armselig, verfallen und das Tambourin zum Tanz aufspielen, klein, scheint es eher ein Warnungs¬ und die geschmeidigen, flitterbehangenen, zeichen für diejenigen zu sein, die vielleicht braunen Gestalten sich beim Monden¬ Lust verspüren könnten, es zu betreten, schein nach dem Takte der Musik drehen, als eine Heimstätte für die Unglücklichen, hei! hei! Das gibt ein schönes farben¬ die gezwungen sind, unter seinem Dache reiches Bild, so recht geschaffen, das Herz Schutz zu suchen. Baufällig, alt und ver¬ eines Vagabunden höher schlagen zu fallen, sind Tür und Fenster aus den machen. Die Einwohner des Dorfes aber Angeln, das Dach senkt sich drohend pflegen sich dann zurückzuziehen, sie vornüber, so daß man jeden Augenblick meiden die Nähe der Zigeuner, die sie auf seinen Einsturz gefaßt sein kann, und überhaupt nur auf kurze Zeit in der Nach¬ die starke Eiche, die ihre Aeste über das¬ barschaft dulden, weil sie fürchten, daß selbe ausbreitet, scheint sein einziger Halt die braune Brut ihnen andernfalls das zu sein. Oede und finster sieht's auch Vieh verhext oder gar den roten Hahn ringsum aus, und wenn der Wind nachts aufs Dach setzt. Die braune Brut! Ja, durch die hohlen Fenster pfeift oder der ja, man jagt sie von Stadt zu Stadt, Vollmond sein fahles Licht hindurch wirft, von Land zu Land, man duldet sie nicht so daß man von außen sieht, wie sich der in Schulen und Gemeinden und wundert Schein an der weißen, kahlen Wand sich dann ihrer Schandtaten, schlägt sal¬ bricht, dann möchte wohl niemand das¬ bungsvoll die Hände zusammen und ruft elbe bewohnen, dann flieht jeder seine wehe, wehel über die Unglücklichen, Ver¬ Nähe, denn es wird einem dann so un¬ dorbenen, wo man es doch so leicht gehabt heimlich, grausig zu Mute, als ob's in hätte, sie zu bessern. Doch das sind nun demselben nicht geheuer wäre, als ob alles einmal die hervorstechendsten Eigenschaften darin nicht mit rechten Dingen zuginge. des Menschen, daß er da haßt, wo er Freilich wird das Häuschen schon seit lieben, da verfolgt, wo er bessern soll; doch Jahren nicht mehr im eigentlichen Sinne wir können das menschliche Geschlecht des Wortes bewohnt, nur der Ortsvor¬ nicht ändern. Die Einwohner von Wald¬ stand sperrt mitunter vazierende Hand¬ haim — so heißt das Dorf, in dem werksburschen oder andere Bettler auf unsere Geschichte spielt¬—hatten übrigens 24 Stunden hinein. Zigeuner nehmen guten Grund, die Zigeuner und alles, was es auch wohl vorübergehend als Nacht¬ mit ihnen in Berührung steht, zu hassen, herberge in Anspruch, ein Recht, das ihnen knüpfte sich doch an eine Zigeunerbande niemand streitig macht. Der Armut über¬ eine traurige Erinnerung, die noch nach läßt man ja gern großmütig, was man Jahren in Waldhaim nicht vergessen im übrigen nicht verwenden kann. Dann ward. aber, wenn eine vorübergehende Zigeuner¬ Etwa vierzehn Jahre, bevor unsere Er¬ truppe sich in demselben niedergelassen zählung beginnt, an einem schönen Früh¬ hat, wird es so gar eigen lebendig lingssonntag, war ganz Waldhaim auf darinnen, und besonders nachts herrscht den Beinen. Alle Häuser, vom Bauern¬ dann in und um das Häuschen ein selt¬ hof bis zu der kleinsten Taglöhnerhütte ames Treiben. Drinnen braten und herab, prangten im Schmuck saftigen backen die alten sonnverbrannten Weiber, Maiengrüns, ja einzelne reiche Bauern draußen aber ergehen sich die schmucken, hatten selbst Fähnlein ausgesteckt. Nach¬ glutäugigen Zigeunermädchen mit den mittags in der dritten Stunde bewegte 3

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