Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

26 Glücklichen nur zu rasch dahin. Endlich aber mußten sie sich doch der Heimat wieder zuwenden und sie erreichten diese gerade, als die Wintersaison ihren An¬ fang nahm. Man hatte den Grafen schon mit Sehnsucht erwartet. War er auch kein bedeutender Staatsmann, so hatte er doch immerhin politischen Einfluß, und gerade jetzt hoffte und wünschte man, daß er diesen geltend mache. Oberst Raldow, ein langjähriger intimer Freund, war als Kandidat aufgetreten für den Kreis, in dem die Steineck'schen Familiengüter lagen, und niemand konnte ihm dort von größerem Nutzen sein als der Graf selbst. Gerne ergriff dieser die Gelegenheit, dem Freunde zu dienen und zugleich den Ort wieder zu sehen, an dem er stets mit Vorliebe geweilt. Es war während eines glänzenden Festes, welches der Graf und die Gräfin ihren Bekannten gaben, daß diese Verab¬ redung zwischen den Herren getroffen wurde. Spät erst hatten die letzten Gäste das Schloß verlassen. Gräfin Steineck war allein in ihrem eleganten Gemach. Noch schwebte das Lächeln auf ihren Lippen, welches die Huldigungen, die ihr an diesem Abende wieder so überreich zuteil geworden, hervorgerufen. In einem dunklen Sammtsessel ruhte die schöne * □ Gestalt. Ihr Kopf war zuruckgesunken und das blendende Weiß des lieblichen Antlitzes kontrastierte wunderbar mit dem tiefen Rot der Kissen. In der Hand hielt sie ein Bukett mit weißen Rosen. Sie selbst aber war die schönste Blume, ge¬ schaffen, die Herzen der sie Schauenden zu entzücken. So dachte auch wohl der Graf, als er in schweigender Bewunderung unter dem Vorhang der Tür stehen geblieben war. Als er sich ihr dann näherte, hob sie das Auge zu ihm auf und schaute ihn liebevoll an; er aber ergriff ihre Hand und ließ sich neben ihr nieder. Er erzählte ihr von der Verabredung, die er mit dem Obersten ge¬ troffen, und wie sehr ihn die Sache interessiere. „Du mußt uns auch helfen, Beatrice“ sagte er lächelnd, „daß die Wahl des Obersten gesichert wird.“ „Aber wie kann ich das?“ fragte sie, be¬ lustigt über diese Bitte. Eckartshau¬ „Indem du mit uns nach sen gehst. Ich bin sicher, eder junge Gutsnachbar, jeder Pächter, den du mit schwört zu deinem Lächeln anschaust, Ernst, mein unserer Fahne. Im vollen Lieb“, fuhr er fort, ich muß gehen, und ich würde mich unendlich freuen, wenn du mich begleitetest. — „Fur dich ist es also eine Notwendig¬ keit?“ fragte sie nach minutenlangem Schweigen. „Ich gab dem Obersten mein Wort. Ziehst du aber wirklich vor, hier zu blei¬ ben, Beatrice, so bleibe. Du sollst nur tun, was du gern tust.“ „Ich gehe mit dir,“ sagte sie einfach. Er war so glücklich über das freund¬ liche Nachgeben seiner Gattin, daß er gar nicht bemerkte, wie ihr Antlitz in den we¬ nigen Minuten sich verändert hatte; die Rosen waren ihrer Hand entfallen und diese selbst machtlos hinabgesunken. Ein wilder angstvoller Blick war in das Auge getreten, das soeben noch in Freude und Glück gestrahlt, ein Blick, der nur zu deut¬ lich sagte, wie sie gekämpft und gerungen und gehofft —und alles umsonst. Als sie sich dann mit Aufbietung aller Kraft bezwang, ihm lächelnd Gutenacht zu bieten, da folgte ihr sein Blick voll von unendlicher Liebe. * * * Groß war der Jubel, als der Graf mit seiner jungen Gemahlin auf Schloß Eckartshausen eintraf. Die Dienerschaft empfing ihren Gebieter nach so langer Abwesenheit mit aufrichtiger Freude; der jungen Herrin flogen rasch alle Herzen zu. Ein alter Mann, der als Gärtner in des Grafen Dienst stand, wurde ganz be¬ sonders freundlich von der Gräfin be¬ grüßt. War er doch schon bei ihren Eltern gewesen und der beste Freund und Spiel¬ genosse der kleinen Beatrice. Der alte Georg war aber bei den Leu¬ ten im Schloß nicht beliebt; er wurde vielmehr als Geizhals gefürchtet und ge¬ mieden. Graf Steineck hatte ihm ein klei¬

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