Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

24 zu Mit dankbarem Lächeln blickte sie kost¬ ihm auf; dann, die Schleppe ihres sie baren Kleides aufnehmend, verließ das Gemach. Als die Freunde allein waren, fragte Baron Bornheim: „Warum liebt deine Gemahlin Eckartshausen so wenig Otto? „Der Grund kann einzig und allein darin liegen, daß Arnstein in unmittel¬ barer Nähe liegt. Du kennst doch das ent¬ setzliche Unglück, das damals die Familie meiner Gemahlin betroffen?“ Der Freund bejahte. fort, „Nun wohl“ fuhr Graf Steineck mit „Beatrice war ihrer Schwester noch schwärmerischer Liebe zugetan; heute kann sie den Verlust nicht über¬ winden. Ich fürchte fast, sie wird es nie können,“ fügte er traurig hinzu. „Kein Wunder, sagte der Baron. „Aber sage mir doch, wie geschah das Entsetzliche?“ „Ueber die näheren Umstände kann leider niemand Auskunft geben, entgeg¬ nete jener. „Als die Leiche aufgefunden wurde, hielten die erstarrten Hände eine Wasserlilie fest umscholssen, und die Ver¬ mutung liegt nahe, daß bei dem Versuch, die Blume zu erreichen, das Unglück ge¬ schehen ist.“ Eine Träne schimmerte bei diesen Worten in dem Auge des Grafen. „Sprich nicht mehr davon, mein Freund, bat er. „Du kennst ja mein Geheimnis und weißt, daß ich Erna von Arnstein geliebt. Sie wurde mir entrissen an dem Tage, da sie gelobt, mein Weib zu werden.“ „Wie sehr begreife ich jetzt die Abnei¬ gung deiner Gemahlin gegen Eckartshau¬ en,“ sagte Baron Bornheim teilnehmend. □ „Ja, entgegnete der Graf, „Beatrice liebte ihre Schwester leidenschaftlich. Ge¬ rade diese Liebe hat mich zuerst zu ihr geführt, später freilich habe ich sie lieben gelernt um ihrer selbst willen.“ In Gedanken verloren blickte er vor sich hin, während der Freund ihn mit herzlicher Teilnahme betrachtete. „Wirst du nun den Sommer in der Schweiz zubringen oder was gedenkst du zu tun?“ fragte er dann. „Ich erfülle den Wunsch meiner Ge¬ mahlin,“ erwiderte der Graf. „Aber, wie wäre es, Oskar“ fuhr er dann plötzlich lebhafter fort, „wenn du uns begleitest?“ Eine junge Verwandte von uns, ein lie¬ bes, reizendes Geschöpf, kommt auch mit. Wir wären dann zu vier, gerade die rich¬ tige Zahl, eine gemütliche kleine Gesell¬ chaft zu bilden. Was sagst du zu diesem Plan?“ „Daß er mir ausnehmend gefällt“, rief Baron Bornheim erfreut, „wenn er nur die Zustimmung deiner Gemahlin hat.“ Ein freundliches Lächeln des Grafen belehrte ihn, daß er dieser Zustimmung sicher sein dürfte. * * * sich inzwischen Gräfin Beatrice hatte in ihr Zimmer begeben. Ihre Dienerin erwartete sie bereits, um die gewünschte Hilfe zu leisten. Ermattet sank die schöne Frau auf den Stuhl, den das Mädchen für sie herangezogen, und ließ es wortlos geschehen, daß jenes ihr den Schmuck ab¬ nahm und das lange dunkle Haar löste Erst als das Mädchen die Toilette ihrer Herrin beendet, die Kerzen gelöscht und eine mattbrennende Nachtlampe auf den Tisch gestellt, fuhr sie aus ihrem Sinnen auf. Sie entließ die Dienerin mit einigen kurzen Worten. Verwundert schaute diese ihre sonst so gütige Herrin an und ver¬ ließ kopfschüttelnd das Gemach. Die Vorbereitungenzu der Reise wur¬ den, nachdem der Plan einmal festgestellt von dem Grafen mit Eifer betrieben und der Tag der Abreise nahe bald heran. Die junge Verwandte, Fräulein Helene von Hellwig, war bereits eingetroffen und von den beiden Gatten freudig begrüßt worden. Man konnte sich auch kaum eine angenehmere, freundlichere Gefährtin den¬ ken als sie. Trotzdem das junge Mädchen nicht den geringsten Anspruch auf Schön¬ heit machen konnte, lag doch über ihrer ganzen Erscheinung ein eigentümlicher Reiz. Ihr stets heiterer Sinn, das son¬ nige Lächeln, wenn sie sprach, gewannen ihr rasch alle Herzen.

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