trauriges Herz schauen und weißt, daß nichts von Brand und Mord drin steht! Laß mich, den armen Martl, nicht un¬ schuldig unterm Schwert des Scharfrich¬ ters verbluten! Verlass’ du mich nicht am letzten Tage meines Lebens! Und wenn ich denn doch sterben muß, unschuldig sterben muß, gib mir die Kraft zum Ge¬ bet, und wenn du mich nicht erretten willst, weil ich's vielleicht nicht verdiene, die Stärke zum schuldlosen Tod!“ * * * Die Begnadigung zu der lebensläng¬ lichen Kettenstrafe hatte der sonst so milde König Maximilian II. bei diesem Falle, wie er aktenmäßig erschien, nicht aus¬ sprechen können, und so brachte denn der ür dieses Leben Verlorene seine letzten Daseinsstunden unter dem tröstenden Zu¬ spruche des Kapuzinerpaters Franzis¬ kus zu. Die freie, stets übliche Wahl besserer Speisen für die so karg dem jeweilig zum Tode Verurteilten bemessene Zeit vor dem schmerzhaften Hinübertritt ins Jenseits hatte Martl ausgeschlagen, und schon brach der letzte Morgen an. In der Nacht hatte der unglückliche Hirschhofer noch einen schweren Seelenkampf siegreich durchgekämpft. Er war so schwach au den Füßen, daß er fast zum Fenster hin¬ kriechen mußte, als er zum letzten zum allerletzten Mal die Sterne sehen, ihnen seine Abschiedsgrüße an die ferne * teure Heimat aufgeben wollte! Die Gruße eines Sterbenden an Kathi? Nein, nie! Und doch! War sie ihm nicht so lange Jahre in treuer Liebe anhänglich gewesen! Hatte er sie denn nicht selber irre an sich gemacht, nachdem er sie so viele Jahre mit der Hochzeit hingehalten, und Ruf wie Ansehen des schönen Mädchens fast vernichtet?! Durfte er da staunen, daß sie von ihm nichts mehr wissen wollte, als man ihn ins Zuchthaus schleppte?! Horch! Soeben schlägt es von der Pfarrkirche zu St. Martin in zwölf Der schweren Schlägen: Mitternacht! letzte Tag seines Lebens ist angebrochen noch kurze fünf Stunden! 19 Und da trat der Versucher an ihn heran: „Muß ich denn warten, bis ich aufs Schaffot geschleppt werde?! Nein, ich kann mich selber in die andere Welt hinüberschaffen! Ja, ich kanns noch, bin noch nicht zu schwach dazu — und die Schande fällt auch weg! Ich brauche keinen Scharfrichter! Ich kann eher ster¬ ben, freiwillig, ehe mich der Scharfrichter faßt? Soll ich mit dem Kopfe an die Wand rennen? Dazu bin ich zu schwach! Aber am Fenstergitter aufhängen? Ja, das geht! ... Martl, Martl, so eine Sünde darfst nimmer auf dich laden! Und stolz, wie du gelebt, geh' auch in den Tod. Meine Landsleut', die sollen nicht vom „letzten Hirschhofer“ sagen, er hätt sich vor dem blutigen Tod durchs Schwert des „Spitzwürfels“ (Henkers) gefürchtet Meine Unschuld muß mir die Kraft zum stolzen Sterben geben, und ein richtigen Waldler endet nicht durch die eigene Hand!“ Wie schnell doch die paar Stunden ver¬ ronnen waren! Martl hatte sie mit seinem Töster, dem Kapuzinerpater Franziskus, im frommen Gebet verbracht, seine Beichte abgelegt, — aus der der würdige Ordens¬ mann mit Grauen ersah, daß sein Beicht¬ sohn unschuldig sterben müßte! und die heilige Kommunion empfangen! Ein fast seliger Friede lag auf den abge¬ des zehrten, bleichen Gesichtszügen Armen! Und mit dem Schlag 5 Uhr morgens öffnete sich die Zelle des Verurteilten. Ge¬ richtsdiener traten ein und nahmen dem Delinquenten die Ketten ab; während nun der graue Armesünderkittel den dem Tode geweihten Körper bedeckte, um¬ schlossen nur mehr schwache Stricke seine Handgelenke. Von Soldaten geleitet, mußte Martl den Karren des Nachrichters besteigen, der seiner schon im Hofe der Frohnfeste harrte! Darauf ging's in langsamer Fahrt zum Richtplatz vor dem „Zieglertor, wo trotz der frühen Morgenstunde schon eine vieltausendköpfige Menge des fürchter¬ lichen Schauspieles harrte! 24
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