14 „Bis dahin mag wohl noch viel Loisach¬ wasser in die Isar rinnen!“ lachte Anna jetzt spöttisch auf. „Ich mein' wegen dem Lienhard werden sich die Dirndln nicht in die Haare kommen!“ „Wer weiß! ... wer weiß!“ meinte, ihren Kopf bedächtig hin= und her¬ Hei¬ wiegend, die Huberbäuerin. „Das raten ist ein gar eigenes Ding, und solch schönes, voll eingerichtetes Haus hat schon oft über viel schiefere Dinge das Aug zudrücken lassen, als wie über einen — Buckel! Dazu hat alles Madeln und Buben— den Lienhard so gern —g’rad als hätte er es ihnen angetan! Die Bur¬ schen setzen die größte Ehre daran, zu ihm in den „Heimgarten“ geh'nzu dürfen, und er richtet sie zu den neuen schönen G'sangeln ab die er sich nur so aus den Aermeln schüttelt, und die er, wie unser Lehrer sagt, selber zusammen¬ dichtet! ... Bei der Hochzeit der Lauten¬ bacherresei will er mit ihnen zum ersten¬ mal den „Brautgesang“ singen! —Tu Dich also um, Annerl! und such' Dir zu¬ nächst einen, damit Du dieses Lied auch 7 bald für Dich selber singen hörst: Unwirsch stand Anna nun auf, sagte aber nichts und warf nur im großen Wandschrank alles wirr durcheinander. Auch die Nachbarin schickte sich zum „ gehen an und sagte, bereits den Tur¬ drücker in der Hand: „Sei nur nicht so fuchtig (zornig), jetzt kriegst schon Ruhe vor meinem Geschwätz. Ich muß daheim dem Bauern sein Essen richten, der brummt mir sonst, wenn er heimkommt! Also nichts für ungut! Die, Red' ist eben kein Pfeil und auch sollst Du Deinen „Hoindl“ (Zorn) 'gen den Lienhard end¬ lich aufstecken! — Der gute Mensch hat Dir ja nur eine Ehre antun wollen, und das mußt Du ihm nicht so übel nach¬ tragen! Die Bäuerin war noch einmal von der Tür umgekehrt, stand nun vor Anna und hielt ihr die Hand zum Abschied hin. Die aber stellte sich, als sähe sie dieselbe T nicht! ... „Tatest Du nur den Lienhard kennen, wärst nicht so muckisch,“ fuhr die Nachbarin fort. „Er ist zu gut und, waser der Lauterbacherresei, die Wirtin im Gasthaus „zum Herzogenstand“ in Schlehdorf wird, für ein schönes Bild ausgeschnitzt und auch gemalt hat, ist ’ne wahre Pracht, weil sie ihn zu ihrem Stuhlfest eingeladen hat! Die Figur hat er ganz allein gemacht und darunter steht, wunderschön von ihm selber geschrieben: „Der ehr= und tugendsamen Jungfrau Rosa Lautenbacherin von Leonhard Rei¬ fenstuel!“.. Da drehte sich Anna rasch um, die bis jetzt scheinbar teilnahmslos im Wand¬ kasten herumgekrammt hatte und fragte hastig: „Wie schreibt er sich? ... Wie habt Ihr ihn genannt, Huberbäuerin?!“ „Gerade so wie Ihr heißt!“ versetzte diese verwundert. „Lienhard Reifenstuel schreibt er sich! ... Ist das so was Rares?! „Bei Leib' nicht,“ entgegnete das Mäd¬ chen, „aber es ist nur spassig, weil's in der ganzen Gegend da niemand gibt, als nur gerade uns mit dem Namen Reifen¬ tuel!“ „Wohl, wohl!“ erwiderte die Nach¬ barin, aber dem Lienhard sein G'schlecht ist weit draußen im Flachland daheim Doch ich muß fort, sonst gibt's bei mir zu Hause einen Mordsverdruß! ... B’hüt Euch Gott mitsammen!“ Nun verweigerte Anna nicht mehr ihre Hand; sie setzte sich wieder zu ihrer Näh¬ arbeit im Erker, aber die wollte gar nimmer von statten gehen, denn immer und immer sann sie darüber nach, sie müsse schon einmal irgendwo dem Lien¬ hard mit seinen feurigen Augen begegnet sein, die er ihr auf der Wirtshaustreppe in Kochel zugeworfen hatte, als sie mit Sepp auf dem Vorplatz gestanden; wann und wo das gewesen, fiel ihr aber immer noch nicht ein, so sehr sie auch deshalb ihr Gedächtnis abquälte! ... Jetzt wurde sie in ihrem Gedanken¬ gange unterbrochen, denn ihr Vater trat in die Stube. Er hatte mit einem Nach¬ barn den Fruchtbestand seiner Gründe und des großen Obstbaumgartens nach¬ gesehen!
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2