Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1904

milienfreude und Verdruß waren bereits durchgeplaudert, doch stets kam die Rede immer wieder auf den buckligen Lienhard zurück! ... Gerade der Gesprächsstoff war aber Anna so zuwider, daß sie recht erbost hin= und herrückte, sich Verschie¬ denes in der Stube zu schaffen machte und, als es ihr endlich zu arg ward, rief: „Aber Huberbäuerin! ums Himmels¬ willen! wißt Ihr denn von gar niemand andern zu reden als alleweil von dem Buckligen?“ „Du spaßige Dingin!“ erwiderte diese lachend, „soll ich nicht auch von dem reden worüber unser ganzes Dorf schwätzt? ... Ich weiß, daß Du ihn nicht ausstehen kannst, hat man mir's doch hinterbracht wie Du ihn auf der „Kirta“ hast abge¬ trumpft! Du kannst es ihm wohl hingehen lassen, daß er dich zum Tanz hat holen wollen, und das ist doch kein Leid, das er Dir antun gewollt?! Du kannst mich also auch noch weiter anhören!“ ... So schwieg denn Anna und die red¬ selige Huberin fuhr eifrig fort: „Keine Seele würde mehr über ihn schwätzen wenn er wieder von uns fortgänge! Je¬ doch er hat sich zunächst das Gasthaus „zum grauen Bären“ angekauft — wißt, das gar schöne Haus, welches sich der fremde Maler, dem's hier so gut gefallen hat, eigens für sich vor ein paar Jahren hat bauen lassen, der dann, gerade, wie's fertig war, drinn in der Münchenerstadt gestorben ist! ... Selbiges Haus ist für uns Bauernleut nun nichts, denn im Garten wächst weder für die Küche noch für den Stall etwas, nur Blumen und lauter Blumen! Du, die doch so in diese verschossen bist, mußt sie Dir recht genau anschauen! ... Wie ich vorhin zu Euch in die Jochmühl herein bin, hab’ ich mir Deine „Nagerln" (Nelken) auf dem „Schrott“ (offener Hausgang) betrachtet und wahr muß es sein, nicht leicht sieht man was Schöneres bei uns als die¬ selben Blümeln! „Aber was schafft denn der Lienhard so mutterseelenallein in dem großmäch¬ tigen Haus?“ fragte die Schwägerin neu¬ gierig. 13 „Der hat den ganzen Tag vollauszu schaffen!“ versetzte die Bäuerin. „Erst hat er sich mit etlichen Gesellen von Garnisch die ganze Hauseinrichtung teils von Eichen= teils von Tannenholz gemacht! Alle die davon verfertigten Tische, Stühle und Bänke haben die Naturfarbe der Bäume, wie selbe unser Herrgott draußen im Walde wachsen läßt. Aber die Politur ist so glatt, daß man sich Spiegel sehen kann! drin wie in einem Und erst die Stuben! — Ja, da sieht's Kirche! Dazu hängen aus, als wie in einer an allen Wänden die schönsten Bilder und alle möglichen Blasinstrumente und Geigen, gerade so gut als wie zu Mitten¬ wald, wo sie doch die schönsten machen! ... Wirklich, man meint, Du gehst justament in ein Musikanten=Heimatl hinein!“ rief die Schwägerin „Aber, Huberin!“ erstaunt, „das ist wohl recht schön und gut, in einem Hauswesen, ob groß oder klein, geht dennoch nichts zusammen, wenn keine Weibsleut' da sind, die dazu¬ tun, um die Sach' in Ordnung zu halten! „Da fehlt sich nichts!“ versetzte der Besuch. „Beim Lienhard ist ja die alte Kurz Waben (Walpurg), ein richtiges und christliches Leut! Die kann nicht genug —und erzählen, wie schön's dort ist wie viel Sach' in dem Haus steckt! ... Und Bücher hat er einen ganzen Kasten voll, schier (fast) mehr als unser Hoch¬ würden, der Herr Pfarrer! Der Herr hat ihn schon mehr als einmal heimge¬ sucht, ihn gelobt übern Schellenkönig und vom Lienhard gesagt: „Der ist doch ein kreuzbraver und grundgscheidter —Der Lienhard muß aber Mensch!“ steinreich sein, denn von unten bis oben ist sein ganzes Haus mit allem aus¬ staffiert! ... Die Kästen sind voll Lein¬ wand und Wäsche, und so schöne Betten, wie er hat, sieht man nicht leicht wo anders! Sogar seine Kuchel (Küche) ist wie beim allerersten Großbauern oder wie bei Euch da in der Jochmühl einge¬ richtet! Kurz und gut: Alle Tage brauchte sich da eine junge Frau nur hineinzu¬ setzen!“

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