12 den ersten Tanz mir aufg’hoben, alleweil auch nur mit mir allein geredet und ge¬ tanzt! Was glaubst denn, daß alle Leut z’wegen dem von uns denken und plauschen? „Die Leut'?“ ... Mir wär's g'nug!** Laß' die nur fratscheln (reden) und denken, was sie wollen! ... Woher weißt Du aber, daß ich nicht Dich so gut wie ie zum Narren halte Des Burschen Gesicht war wie mit Blut übergossen. Er sprang zurück und hob drohend den wuchtigen Arm in die Höhe. Besann sich jedoch gleich darauf trat wieder näher und sagte vertraulich im sanftesten Ton, zu dem sich seine rauhe Stimme nur zwingen konnte: „Wahr ist's, wild und unbändig bist Du wie ein jähriges Füllen droben auf der Krottenkopfer (hoher Berg, ein paar Stunden von Schlehdorf entfernt) Berg¬ weid'! Schau'! von Dir nehm' ich's hin, * damit Du meine kraftige Lieb’ zu Dir inne wirst! Jetzt aber narr' mich nicht länger! Gesteh' mir also, was Du mir ja doch schon verraten hast!“ ... Mit diesen Worten suchte er sie an sich zu ziehen und zu küssen, als wenn er ihr so das schwere Geständnis erleichtern wollte! Wohl widerstrebte Anna, jedoch nur schwach, denn ganz wollte sie den Burschen nicht von sich stoßen, aber sie sann nur darauf, wie sie am besten ohne bestimmte Antwort von ihm wegkommen könnte ... Da, zufällig fiel ihr Blick auf die Stiege und blieb in den brennenden Augen des Höckrigen haften! Er war soeben die Treppe heraufgestiegen, hielt einen Augen¬ blick an, als er das Paar erblickte und wollte sich, um nicht zu stören, wieder geräuschlos zurückziehen! Anna zitterte vor Aufregung, mußte denn der ihr so unleidige Bucklige überall sein? ... Mit einem jähen Ruck, dazu mit einem Wider¬ willen, der viel mehr dem Störefried als dem Rautersepp galt, stieß sie letz¬ teren so unsanft von sich, daß er taumelte und sich ganz verblüfft plötzlich allein auf dem Vorplatze sah. Nun trieb Anna zur Heimkehr, saß auch schon auf dem Wagen, ehe nur an¬ gespannt war! Wenn sie sich aber auch vom Grasgarten trotzig abgewendet hielt, wo die Lichter unter den Obstbäumen noch stets die um den Sänger versam¬ melten Zuhörer erkennen ließen, so konnte sie doch nicht verhindern, daß das ein¬ fache, tief ergreifende Nachspiel eines Jägerliedes auf dem Horn ihr das Ge¬ leite auf der Rückfahrt gab, und noch aus weiter Ferne klang ihr der weh¬ mütige Ruf des Waldhorns nach! ...... Mit Anna sowohl, als auch mit ihrem Vater, dem Jochmüller, war eine große Veränderung nach der Kocheler Kirchweih vorgegangen! Halbe Tage lang saß das 1“ sonst so bewegliche Madchen unbeweglich da, und über den Alten, der sonst so frisch und kräftig trotz Jahre und Stürme wie ein Eichbaum dagestanden, war's so plötz¬ lich gekommen, wie wohl in einer Nacht der Herbstwind die Blätter mit seinem frostigen Hauch verfärbt! Sein sonst so stolz erhobener Kopf neigte sich, die Schultern hoben sich fast spitz empor, die Straffheit der Knie ließ nach, und selbst die Gesichtszüge sahen müde und abge¬ spannt aus. Mit Besorgnis sah die Tochter, kopfschüttelnd die Schwägerin auf ihn. Er selbst aber wies mit ärger¬ lichem Lachen zuletzt alle Fragen ab: „Mir fehlt ja gar nichts! Kümmert Euch doch 77 nicht alleweil um mich: ... Er war aber viel milder geworden und, da Anna wegen des Gebrestes ihres Vaters ihm nie mehr Widerpart hielt, rann die Zeit stiller als je über die Jochmühle hin! Zwischen „ Vater und Tochter war noch keine Silbe über die Kocheler Kirchweihe gewechselt worden, desto öfters tat zu Annas größtem Verdruß die Schwägerin davon Erwähnung! ... An einem sonnigen Feiertags=Nachmittag saßen die beiden im Weinlaub umsponnenen Erkerfenster, wo man auf den im hellen Sonnenschein glitzernden See hinaussehen konnte, und bei ihnen befand sich eine redselige Nach¬ barin, die zum Plaudern, oder wie man im bayerischen Hochland zu sagen pflegt: „in den Heimgarten“ gekommen war ... Jede Neuigkeit im Dorf und im ganzen Seegau: Taufe, Hochzeit, Todesfall, Fa¬
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