8 seltsam, wo jetzt doch schon die lebfrische Klarinette mit den kräftigen Baßgeigen¬ strichen und den begleitenden, nicht ganz rein gestimmten Hörnern zum ersten Teil eines neckischen Ländlers sich vereinten und die Schar der auf ihre Tänzer har¬ renden Mädchen immer kleiner wurde sie, die sonst stets die erste im Reigen gewesen — niemand kam, sie zu holen, und da — da schmetterte bereits der be¬ liebte Trompetertusch den zweiten Teil des Ländlers, und das vorderste Paar eröffnete sofort den Tanz! — Heiß stieg ihr der Unmut ins Gesicht; sie klemmte die Unterlippe zwischen die wie Schleh¬ dornblüte weißen Zähne, und der strenge Zug in ihrer Miene war vorherrschend. Sie konnte sich gar keinen Grund über ihre Zurücksetzung oder Sepps Fort¬ bleiben denken, und da sie sich nun auch einbildete, es haften die neidischen und spöttischen Blicke aller der auf dem Tanz¬ boden Befindlichen an ihr, wollte sie sich auf Nimmerwiedersehen davon ent¬ ernen! Nur Sepps Prahlen, der getan, als sei er mit Anna schon völlig zum Stuhlfeste einig, hielt die Burschen ab, diese zum Tanz aufzufordern; er aber zauderte, eben weil er wußte, daß ihm kein Kamerad bei der schönen Müllerstochter den Vorrang ablaufen würde und auch, weil er der so Selbst¬ bewußten den Wert seiner Person fühl¬ bar machen wollte. Dunkel vermutete Anna dergleichen. Ihr ganzer Unwille richtete sich auf ihn, und wäre er jetzt vor sie getreten, würde ihm die herbste Abweisung zuteil geworden sein Plötzlich sah sie den Höckerigen vor sich tehen, der sie mit dem vollsten Glanz seiner seelenvollen braunen Augen ansah und mit gewinnendem Lächeln fragte: „Ich weiß nicht, lieb's Dirndl! irr ich mich, bist Du nicht das Annerl aus „ der Jochmuhl? Kaum eines Blickes würdigte die An¬ geredete den freundlichen jungen Mann; sie sah nur dessen verkrümmte Gestalt. „Und wär' ich's?— Was dann?“ er¬ widerte sie kurz abweisend. „Dann mußt Du mir“ rief Lienhard froh und suchte ihre widerstrebende Hand zu fassen, „den ersten Tanz mit Dir erlauben!“ Fast schwarz wurde es dem Mädchen vor den Augen, denn es war ihr klar, man machte sich lustig über sie, und die Spottvögel hatten ihr zum Hohn den □ Verkümmerten als Tanzer zugeschickt. Hastig rief sie, indem sie heftig Lienhards Hand zurückstieß: „Weiß nichts von „Müssen“! Laß Dir die Botenzenz holen; gleich und gleich gehört zusammen!“ —Diese Botenzenz war aber ein altes buckliges Weiblein, die keiner Arbeit mehr vorstehen konnte und sich recht kümmerlich vom Boten¬ laufen in der Gegend fortbrachte! Einen Moment stand Lienhard be¬ troffen, unbeweglich da; Totenblässe zog über sein schönes, regelmäßiges Gesicht, und seine Augen blitzten im zornigen Feuer auf — aber schnell gefaßt blickte er Anna fast mit mitleidigen Blicken an und murmelte, während er sich um¬ wendete: „Hätt' mir's wohl so vorstellen können! Gerade trat Sepp scheinbar atemlos zu Anna und brachte eine Entschuldigung vor. Trotz ihres früheren Vorsatzes, nur um schnell von dem Platz fortzukommen, ließ sie ihm die Hand und drehte sich mit ihm in allen den einem Gebirgstanz eigenen Wendungen. Bald vernahm sie auch im Vorbeitanzen, wie sie und Sepp von den Umstehenden als das schönste Paar belobt wurden. Sie verdienten auch diese allgemeine Anerkennung mit Recht! Wer sich die kräftige stattliche Gestalt Sepps und seine Gewandtheit betrach¬ tete, mit welcher er behend bis zur halben Zimmerhöhe emporsprang, sich auf Schenkel und Sohlen schlug, daß es nur so schallte, unter lautem Juchzen seine — Tanzerin um sich drehte, mußte zuge¬ tehen, daß eines so hübschen Burschen nur ein Mädchen wie Anna würdig war, die ein vollendetes Körperebenmaß mit der züchtigsten Anmut und Leichtigkeit der Bewegung vereinte.
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