güte spielte, daß es im Widerspruch mit dem etwas hochfahrenden Blicke gar nicht erraten ließ, ob diese oder Hochmut die Herrschaft habe. „Nun Vater!“ rief Anna, indem sie die vollen Arme kreuzte und den zier¬ lichen Kopf in den Nacken warf, während das jetzt durch die kleinen, runden, soge¬ nannten „Butzenscheiben“ hereinflutende Sonnenlicht die hohe kräftige Gestalt des Mädchens noch schärfer von der Täfelung abhob, „ich bin fertig! Schau mich an und sag', wär's nicht der Mühe wert, daß ich vor meinem Spiegel wie ein Stadtfräulein gesessen bin?" „Wohl, fertig bist Du!“ erwiderte der Müller, „jetzt fehlt nur noch der Prinz, der bald seine Landprinzessin abholt!“ „Foppen, Vater, brauchst mich nicht! rief Anna, indem sich ihr Gesicht dunkel rötete und die Augen blitzten. „Käm' auch unser Kronprinz selber, müßt' er erst sehen, ob ihn das Reifenstuel=Annerl möchte! Will ich aber einmal, muß eben der rechte kommen! Willst 'mich durch¬ aus los haben, Vater, sag's! Jede Stunde kann ich gehen! Wenn ich mich auch putz' wie ein Stadtfräulein, mag ich auch ar¬ beiten wie ’ne Landdirn!“ Der Müller schob ein paarmal den Hut von einem zum andern Ohr, das Zeichen, daß ihm der Zorn kam; doch er bezähmte seinen Unmut und sagte ruhig mit spitzem Lächeln: „Bin's schon von Dir gewohnt, daß Du mir jeden Augenblick den Stuhl vor die Tür setzst!“ .... „Der rechte soll also kommen, Du hoffartiges Madl? Möcht' den nur sehen, wie er ausschaut! Da krieg ich einmal einen raren Schwie¬ gersohn! Denk nur immer, der alte Reifenstuel muß auch dabei sein und sein Wörtl hineinreden, damit er sieht, wen Du in sein schönes Sach' 'neinsetzen willst! Fort aber jetzt, zum Wörteln ist keine Zeit mehr, schon geben sie zu Kochel 's zweite Zeichen! Fort alsol sag' ich, damit wir noch recht zur Predigt kommen!“ Schon wollte er gehen, da hielt den Verwunderten ein leichtes Klopfen am 3 Fenster in seiner Eile auf. Der krause Scheitel eines Knabenkopfes zeigte sich und eine kleine Hand mit einem großen Busch Edelweiß und Alpenrosen kam zum Vorschein. „Was ist das?“ rief der Müller, wäh¬ rend Anna verlegen näher trat und das Fenster öffnete. Draußen grüßte eine helle fröhliche Kinderstimme: „Vom Rautersepp 'nen schönen Gruß und den Büschel soll's Annerl auf dem heutigen Kocheler „Kirta“ tragen! — Behüt Euch Gott miteinander!“ Anna ergriff rasch den Strauß und dankte dem kleinen Buben, der sofort singend davon sprang. In dem wunder¬ vollen Busch hoben sich die dunklen kar¬ minroten Alpenrosen im tiefen Grün der taufrischen Blätter reizend von der matten Silberfarbe des Edelweißes ab. Die vollkommen frischen Blumen, die nur spärlich den steilsten und höchsten Schroffen entblühen, zu denen man nur mit Lebensgefahr gelangen kann, zeigten noch ihren ganzen Schmelz, und der Geber mußte die Nacht auf dem Her¬ zogenstand oder Heimgarten geweilt haben, da er sie in solcher=Schönheit und so früh übersenden konnte. „Der Rautersepp?“ unterbrach der Müller das Schweigen, welches einge¬ treten war, währenddem seine Tochter unentschlossen den Strauß besah. „Mit dem Loder mußt Du ja recht gut stehen daß er Dir den Kirtabuschen schickt. Sonst geschieht das ja immer erst dann, wenn's aufs Stuhlfest (Hochzeit) los¬ geht?“ „Wär mirs Rechte!“ rief Anna un¬ wirsch. „Hab ja noch nicht ein paarmal mit ihm geredet! Kann ich dafür, wenn der Bursch aus purer Eitelkeit sich gleich was alles einbildet?... Da mag sein Büschel liegen, und der Sepp soll sich seine Augen ausschauen, eh' er ihn an meinem Mieder sieht!“ Mit diesen verächtlichen Worten warf sie den Strauß so heftig in den Ofen¬ winkel, daß manches zarte rote und weiße Blumenblatt auf den blankge¬ scheuerten Dielen umherflog. 1* —
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