Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1904

108 Sohn, bin ihnen übrigens noch die Mit¬ gift schuldig, wird nicht ausbleiben!“ Und zu Frau Lisbeth, die eben eine angenehm duftende Schüssel mit Hirsch¬ braten auf den Tisch stellte, sagte er, sie auf den Zeigefinger der rechten Hand tippend, wie um seinen nun folgenden Worten ihrerseits mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, launig: „Hoff', daß mich da droben in der ∆ 825 9 2 4 * 25 2 20 220 82 R ae 11150 K. M K.# 110 Das heutige Schloßportal. neuen Burg kein Schlänglein mehr beißen vill, mich nicht und meine Nachfahren, so Gott will, auch nicht, habt die letzte — Natter droben ja getötet, Frau Lisbeth will dafür Pate sein, so Ihr dereinst einen solchen benötigen solltet, und mein Paten¬ kind dann schützen, wie Ihr mich vor Zeiten! Ist so Christenpflicht, nicht? Frau Lisbeth lächelte verschämt und stammelte etwas von „hoher Ehre" und „vielem Dank“ und eilte wieder in die 40 8 2 Küche zum Herd, denn das hatte sie schon gelernt, daß hohe Herren gar gern und lange tafeln und nicht zufrieden sind mit einer Schüssel, zumal nach langer und anstreugender Reise, wie sie Graf Ottokar jetzt hieher getan hatte. Ein paar Stunden darauf stand Ottokar im Rittersaale seiner neuen Burg und blickte mit großer Befriedigung aus einem Fenster hinaus in die schöne Land¬ schaft. Da öffnet sich die schwere, eichene Tür des Saales und her¬ ein treten eine Anzahl seiner Man¬ nen, geführt von dem alten Jans und bleiben ehrfurchtsvoll in der Mitte des Saales stehen, harrend bis ihr Gebieter fragen wird nach ihrem Begehr. „Was wollt Ihr?“ fragt denn auch Ottokar ziemlich über¬ rascht, denn er hatte niemand zu sich her befohlen. „Seid Ihr etwa nicht zufrieden mit dem Heim, das ich hier für Euch geschaffen, oder ist Hungersnot in Sicht, oder dräut uns schon jetzt, kaum daß wir hier 77 eingezogen sind, Feindesgefahr? „Nichts von alledem, gnädig¬ ster Herr,“ erwidert hierauf be¬ scheiden der alte Jans, „Euere Tapferen hier haben an mich, der ich das Glück genieße, hier oben Burgvogt zu sein, eine Frage getan, die ich leider nicht vermag zu beantworten. Da sie aber eine Antwort wirklich heischt und drin¬ gend, hab' ich die Frager mir er¬ laubt hieher zu bringen —unser gnädigster Herr allein nur kann Bescheid uns geben.“ „Und das wäre „Gnädigster Herr, wenn wir dereinst hinausziehen zum blutigen Strauß, von weit draußen den Unseren Kunde heim¬ wärts senden wollen und Grüße oder Gefangene und Beute, und man uns frägt: Wie heißt die Burg, von wannen ihr gekommen, weß Namens ist der Ort, wo ihr haust, daheim seid, wo wohnen Euere Lieben— was sollen wir dann wohl darauf erwidern?“

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2