Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1904

104 damit der Wind nicht gar zu schneidig im Gemache herumtollen konnte, und die Einrichtung bestand nur aus einem langen, roh gezimmerten Tisch mit Baumstümpfen als Sitze herum. An einer der vom Mörtel fast entblößten Wände hing ein roh und ungeschickt geschnitztes Kreuz, in einer Ecke, nahe bei einem Fenster, deutete ein Häuflein Asche eine Feuer¬ stelle an, wohl eine Art „Ofen“ zum Erwärmen froststarrer Glieder, und in einem Ringe an einer Wand steckte ein halbverbrannter Kienspan, während am Fenstergesimse daneben ein großes Bündel dieses Beleuchtungsholzes sauber gebunden und handgerecht dalag. „Meine gute Stube“, sagte der Alte, der ganz gesprächig geworden war, und wies herum in dem Raum, „setzt Euch ein wenig, damit Ihr mir den Schlaf nicht davontragt; will nur mein Weib und meine Tochter verständigen, damit sie uns gehörige Atzung mögen bringen und mir auch den Jäger draußen nicht hun¬ gern lassen. Während nun der Graf und der Barschalk ihre Waffen beiseite stellten und sich setzten, trat auch schon die Frau des „Burgherrn“ ein: groß und sehr rüstig noch, im Alter wie ihr Gatte, in den Händen eine Holzschüssel tragend und eine Flasche und ein Glas. Sie stellte alles, nicht ohne natürliche Anmut auf den Tisch, ordnete es und sagte, das schwarze Brot samt Messer dem Grafen hinschiebend, herzlich: Gott segne es Euch! „Dank Euch“ erwiderte der Gras und langte zu, „greif nur auch her und fest, alter Erich — sind geräucherte Bärentatzen und da, auf Korn gesetzte Wachholder, ei, das läßt sich hören! Ich 7 bring' Euch's!“ Er trank seinen Wirten freundlich zu und während er und der Barschalk tüchtig zulangten, tat der Graf allerlei Fragen an seine Wirte und diese erzählten schlicht und einfach ihre Schicksale. Jans*), so hieß der Alte, war in Freysing, draußen in Bayern, zu Hause *) Johann. und auch sein Weib; sie waren als Ansiedler nach Lorch eingewandert, hatten es zu Haus und Hof und auch sonst zu einem schönen Besitz gebracht, als die Ungarn wieder einmal die Donau heraufstreiften mordend, raubend und sengend. Da war auch der Erfolg ihres Jahrzehnte langen Fleißes vernichtet und sie waren dann noch roh, daß sie mit den Kindern mit heiler Haut sich davon machen konnten. Im Trubel flüchtender Ansiedler kamen sie die Enns aufwärts in deren Tal sich viele niederließen. Jans wählte dieses alte Gemäuer da zum Wohnsitz, weil es fast unzugänglich war und abseits aller Straßen lag. „Hier haben wir Ruhe“, meinte Jans, „freilich auch ein gar anstrengendes Dasein, aber wir sind zufrieden, viele unserer Nachbarn haben es weit schlechter getroffen, haust viel Gesindel an der Enns. Wir da heroben genießen mehr der Ruhe, weil das fahrende Volk nicht ieht, daß wir zu leben haben, sonst hätten wir das Gesindel gar oft da und müßten es füttern. So sind wir denn auch mit Sirnicha nicht in Verbindung ist ein gar lebhafter Ort und ziehen der Landstreicher gar viele durch, denen wir nicht Kunde geben wollen von unserem Dasein hier. Der Barschalk konnte das bestä¬ tigen, daß zu Sirnicha gar oft unlieb¬ same Gäste wären, vor allem Hungerige und Arbeitsscheue, deren man sich öfters mit dem Schwert erwehren müsse, und so fand es Graf Ottokar jetzt ganz na¬ türlich, daß Menschen in solcher Einöde, wie diese hier eine war, so zu leben gezwungen waren. „Es sind gar schwere Zeiten hier in den Grenzmarken“, sagte er und tat noch einen tüchtigen Schluck von dem Wach¬ holder, „überall Raub, Mord und keine Seßhaftigkeit! Wird aber anders werden, lieber Jans, kann's Euch versichern, und das wird's bald. Und nun besten Dank Euch beiden, wollen nun heim! Der Barschalk entfernte sich eiligst, um dem Knappen draußen beim Satteln der Pferde zu helfen, dieweil Graf Ottokar

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