Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1904

98 Dort empfing der Vogt von Sir¬ nicha, welcher den Grundbesitz, den der Graf daselbst besaß und zugleich den kleinen Ort selbst verwaltete,*) ehrfurchtsvoll seinen Herrn der in eingehendster Weise Haus und Hof, Feld und Wald, so sein per¬ sönliches Eigentum waren, besichtigte, Lob und Tadel gab, wie es eben erfor¬ derlich war, und sich am andern Tage auf die Jagd jenseits der Steyr begab. Unterhalb des heutigen Christkindl wurde die Steyr übersetzt und frohgemut ritt die Gesellschaft, droben auf der Ebene pürschend, durch den Forst den Fluß abwärts.Im Jagen hatten sich die meisten Leute von ihrem Herrn getrennt und Graf Ottokar ritt nur in Begleitung eines der Gegend kundigen Barschalks und seines Leibknappen, welch' letzterer die Jagdhunde beaufsichtigte. „Hier muß ja der Steyrfluß sich irgendwo in die Enns ergießen, he? fragte Ottokar seinen Begleiter, „ist mir doch, als hätte der Vogt von Sirnicha dergleichen gestern Abend erwähnt und auch, daß der Ort, wo sich diese beiden Wasser verbinden, ganz herrlich zu schauen ist?“ „Ganz recht, gnädigster Herr Graf“ erwiderte der Barschalk, ein strammer Weißbart, bedächtig, „hier“ er wies mit der Hand dahin, „nicht weit da vor uns, spitzt sich das Land zu einem Dreieck zu und fällt schroff ab, felsig und zerrissen im Gestein, und da brausen die Wasser der Enns und der Steyr wild durch¬ einander. Und knapp im Eck, das sie da bilden, steht hoch auf dem Gestein ein ester Turm, der noch gar stramm auf¬ ragt aus altem, zerbröckeltem Gemäuer!“ Ei, der Tausend“, sagte der Graf lebhaft, „war wohl gar einst eine Burg daselbst?“ „Wird wohl so gewesen sein, gnä¬ digster Herr“ meinte der Alte, „ist der *) Der Vogt hauste in einem befestigten Gebäude in der Gegend der heutigen Parschallingerleiten“ zwischen Steyr und Sierning. Parschalling, ursprünglich Barschalk, Barschalken, hießen Knechte welche den Grundbesitz des Landesherrn oder der Kirche bearbeiteten. Sie waren Unfreie“ d. h. von ihrem Herrn abhängig, wurden aber gewisser Vorrechte halber, die sie hatten, auch „freie Knechte“ genannt. Ort auch dazu angetan. Kam selber nur einmal hin, hab ja auch anderes zu tun zu Haus und einer allein ist nicht ganz sicher dort, hält sich oft Gesindel in dem alten Gemäuer auf, sagt man, so einem das Herumspüren dort gar zu gern ver¬ leidet. „Wollen nun dort hin, Freund Erich“ sagte der Graf und setzte, als er die bedenkliche Miene sah, die der Alte etzt aufsetzte, lachend hinzu, indem er auf sein Schwert schlug, daß es einen reinen Ton gab, der leicht hinzitterte durch den feinen, bläulichen Nebeldunst im Walde:„Ich bin ja gewappnet, Alter, und dein Arm ist auch noch sehnig, wie ich merk', zudem sind wir unser drei, haben also nicht zu sorgen um uns vorwärts! Ueber des alten Erichs faltenreiches Gesicht huschte es wie ein leiser Stolz bei diesen Worten seines gnädigsten Herrn. Freilich wohl, er hatte Schwert und Bogen zu gebrauchen gelernt und konnte beide gar wohl noch führen. So ritten sie denn weiter, der Alte scharf ausspähend nach den Zeichen, an denen er die Richtung erkannte zum Ort, wohin sie gelangen wollten: nach einem merkwürdig gestalteten Baum einem zackichten Felsstück, das sich in ganz be¬ onderer Art zur Steyr hinabsenkte, oder onstigen Dingen, die ihm als Wegzeichen dienten, Ottokar aber aufmerksam ins Gebüsch sehend, da er hier in der Stille des Waldes allerlei Raubgetier vermu¬ tete, das ihm willkommene Beute werden sollte Nachdem der Wald immer dichter mit Unterholz sich bewachsen zeigte saßen der Graf und seine Begleiter ab und ührten die Pferde vorsichtig am Zügel. Auf einer Waldblöße, bedeckt mit saftigen Gräsern, saß eine weibliche Gestalt, von der nicht recht zu unterscheiden war, in welchem Alter sie sich befand. Erst als Graf Ottokar näher kam, erhob sie sich, und nun sahen die Jäger, daß es ein Mädchen von etwa 17 bis 18 Jahren war, groß, ebenmäßig, mit nicht unschö¬ nen Zügen, aber gekleidet fast wie eine

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