Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1904

endete. Auch die auf den 4. Jänner 1903 an¬ gesetzten Senatswahlen ergaben einen Sieg des Ministerium Combes. Von 96 Gewählten waren 64 Ministerielle und 32 Antiministerielle (darunter 24 gemäßigte Republikaner); Combes selbst wurde zweimal gewählt: in den Departe¬ ments Charente und Corsica. Eine von den Nationalisten und Klerikalen in der Deputierten¬ kammer inszenierte, am 28. Mai 1903 akut ge¬ wordene Verleumdungscampagne gegen den Ministerpräsidenten Combes und den Marine¬ minister Pelletan, worin beide der Bestech¬ lichkeit geziehen wurden, endete mit einer, mit 333 gegen 18 Stimmen angenommenen Tages¬ ordnung, worin die Kammer die Verleumdungs¬ rampagne, welche gegen Mitglieder der Regierung geführt wird, um sie von ihrem republikanischen Werke abwendig zu machen, brandmarkt. Am 17. August 1902 wurde zu Besangon, der Geburtsstadt des Dichters, ein Denkmal Viktor Hugos enthüllt. Am 19. Dezember 1902 erfolgte, nachdem Gericht und Polizei lange vergeblich nach ihr gefahndet, die Verhaftung der, durch die im Mai 1902 erfolgte Entdeckung einer sensationellen Be¬ trugsaffäre bekannt gewordenen Familie Hum¬ bert (Therese, Frederic und Eva Humbert, Romain, Emil und Marie Daurignac) in einem Wohnhause zu Madrid woselbst sie seit 9. Mai 1902 wohnte. Die Familie wurde an Frankreich ausgeliefert; die strafgerichtliche Verhandlung hat jedoch bis zum Berichtsschlusse noch nicht stattge¬ funden. Zu¬ Durch den am 7. Juni 1903 erfolgten Dampfer„Insulaire“ und sammenstoß der „Liban“ auf der Höhe der Insel Maire bei Marseille, wodurch letzterer zum Sinken gebracht wurde, fanden über 100 Personen ihren Tod in den Wellen. In der Nacht vom 28. auf den 29. September 1902 starb in seiner Wohnung zu Paris der berühmte naturalistische Romancier Emile Zola an Erstickung infolge Ausströmung von Kohlen¬ oxydgas aus der schlecht funktionierenden Heizung. Er war am 2. April 1840 in Paris als Sohn eines eingewanderten Venetianers geboren. Sein Romanzyklus „Les Rougon-Macquart“ aus welchem insbesondere „Nana“ und „Der Totschläger“ unzählige Auflagen erlebten, und den Lemaitre „une épopée pessimiste de l'animalité humaine“ genannt hat, machte ihn berühmt. Sein edles, mut= und aufopfe¬ rungsvolles, dem Siege der Gerechtigkeit ge¬ weihtes kühnes Auftreten im Prozesse Dreyfus wand ihm eine bürgerliche Ehrenkrone von un¬ vergänglichem Glanze. Am 14. März 1903 starb zu Paris der am 15. Februar 1807 ebendort geborene dramatische Dichter Ernest Wilfried Legouvé, der Nestor der 40 „Unsterblichen“ der französischen Aka¬ demie (unter welche am 4. Juni 1903 Edmond Rostand, der Dichter des „Cyrano de Ber¬ gerac“ als jüngster der Unsterblichen aufgenom¬ 89 men wurde), der Verfasser der für die Rachel geschriebenen „Adrienne Lecouvreur“ (mit Eugène Seribe) und der von dieser berühmten Tragödin abgelehnten, von der Ristori aber (in italienischer Uebersetzung) zur Hauptstütze ihres Repertoirs gemachten „Medea“ England. Am 9. August 1902 wurde Eduard VII. in der Westminster=Abtei zum König gekrönt. Am 20. Dezember 1902 wurde die Prinzessin von Wales von einem Prinzen, dem fünften Kinde des englischen Thronfolgerpaares, ent¬ bunden. Eine am 15. Mai 1903 vom Kolonienminister: Chamberlain in Birmingham gehaltene Rede gegen den Freihandel entfesselte in Eng¬ and eine lebhafte Gegenbewegung. Am 9. Juni 1903 erklärte sich auch der Schatzkanzler des Kabinetts, an dessen Spitze nach dem am 11. Juli 7 Romancier Emile Zola. 1902 erfolgten Rücktritte Lord Salisburys Artur James Balfour getreten war, auf Grund eines im Kabinettsrat gefaßten Beschlusses gegen die Anschauungen Chamberlains; ebenso nahm das Unterhaus durch die auch von Balfour befür¬ wortete und mit 424 gegen 28 Stimmen er¬ folgte Ablehnung des Beschlußantrages Chaplins auf Belassung der im Budget pro 1903 wieder abgeschafften (aus Anlaß des südafrikanischen Krie¬ ges eingeführten) Kornzölle, Stellung gegen die Chamberlain'sche Schutzzollpolitik und sein Projekt eines das Mutterland und die Kolonien um¬ fassenden Zollvereines. Auch das Oberhaus nahm eine ähnliche Haltung ein. Die Verhandlungen über Chamberlains Zukunftsprojekte führten aber nicht nur zu einer schweren Niederlage für den imperialistischen Miturheber des südafrikani¬ chen Krieges, sondern auch zu einer Krise im Ministerium, die nur durch die Einigung auf Einleitung einer Untersuchung über die Folgen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2