Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1904

85 tagswahlen ergaben neben einer kräftigen Zu¬ nahme gewaltsamer Aenderungen der Geschäfts¬ rückdrängung des prononcierten ordnung, Mundtotmachung der Opposition etc. Agrariertums (Bündlertums) einen kolossalen Zuwachs der in zweiter und dritter Lesung durchzusetzen. sozialdemokratischen Stimmen. Am 18. Dezember 1902 erfolgte dann die Ge¬ Das ganze Königreich Sachsen ist nunmehr, mit Ausnahme nehmigung des Zolltarifs und des Zolltarif¬ des Wahlkreises Bautzen, woselbst der Anhänger gesetzes in der Kompromißfassung der dritten der Reformpartei, Graefe, durchdrang, durch So¬ Lesung durch den Bundesrat und am 31. De¬ zialdemokraten vertreten. Letztere verfügen in zember 1902 die Publikation dieser Gesetze und neuen Reichstage über 81 Stimmen. Dieses Tarife mit dem Datum vom 25. Dezember 1902. Ergebnisder Wahlen inden deutschen Nachdem der alte Reichstag mit der Votierung Reichstag war die Antwort des deutschen der Zollvorlagen seine Hauptaufgabe erledigt, Volkes auf die reaktionären Velleitäten so wurden die Neuwahlen für den deutschen Reichs¬ mancher deutschen Regierung auf die Gewalt¬ tag auf den 16. Juni 1903 ausgeschrieben; deren akte der klerikal=konservativ=agrarischen Majo¬ Ergebnisse haben wir oben skizziert. rität bei Votierung des Zolltarifs und Nachdem am 11. Juli 1902 der reaktionär Zolltarifgesetzes und auf die Rücksichts¬ gesinnte bayerische Kultusminister v. Land¬ losigkeit, mit welcher jene Majorität damit eine Verteuerung des Brotes im Deutschen Reiche mann in einer, der Entlassung gleichkommen¬ den Weise beurlaubt worden und am 31. Juli erzwang. Nachdem die agrarische Majorität der Audolf Virchow Zollkommission die Durchberatung des Zolltarifs Frei¬ der bisherige bayerische Gesandte in Wien, nach beispielloser Verzettelung der Zeit (durch folger herr v. Podewils, zu seinem Nach unmögliche Zollerhöhungsantrage im agrarischen 1903 ernannt worden war, gab am 17. Februar Gras Interesse) endlich zu Ende führen ließ, gelang der liberale bayerische Ministerpräsident wurde es der klerikal=konservativ=agrarischen Majorität Crailsheim seine Demission und des Reichstages, Zolltarif und Zolltarifgesetz darauf Freiherr vonPodewils zum (trotz der berechtigten Opposition der volksfreud¬ Ministerpräsidenten und Minister des Aeußeren ernannt. Crailsheim fiel als ein Opfer der In¬ lichen Parteien gegen die volksfeindlichen Er¬ triguen des klerikalen Zentrums, das in ihm höhungen der Zölle auf Nahrungsmittel) auf einen gewandten Gegner haßte. Grund eines sehr unklaren und in der Folge Gustav Kauf¬ Infolge des Verzichtes auch zu Gunsten der Agrarier von der Re¬ manns († 2. Oktober 1902) auf die auf ihn gierung ausgelegten Kompromisses mit der Re¬ gefallene Wahl zum zweiten Bürgermeister gierung (welches eine Wiederherstellung der Ge¬ Berlins wurde am 4. Dezember 1902 der ehe¬ treidemindestzölle der Regierungsvorlage gegen der seinerzeit malige Konsistorialrat Reicke — die von den Agrariern bechlossenen weiteren die berüchtigte lex Heinze auf das lebhafteste chöhungen der betreffenden Zollposten, dafür bekämpfte—mit 114 von 115 Stimmen zun aber eine Erhöhung des Zollsatzes für Braugerste zweiten Bürgermeister Berlins gewählt, und um eine Mark bedeutete) und mit Zuhilfe

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