84 teilt, von Haynau aber begnädigt worden. Thot schrieb mehrere, von der ungarischen Akademie mit Preisen ausgezeichnete Theaterstücke und war bereits mit 22 Jahren Mitglied dieser Aka¬ demie. Deutschland. Jahresge¬ Zwei Ereignisse sind es, welche die schichte im Deutschen Reiche beherrschen: die Fa¬ der milien=Katastrophe am sächsischen Hofe und 4 Am Ausfall der deutschen Reichstagswahlen. Dresdenen 22. Dezember 1902 meldete das Journal“ offiziell, daß KronprinzessinLuise von Sachsen (am 2. September 1870 in Salzburg geboren, am 29. November 1891 in der Fried¬ Wiener Hofburgpfarrkirche mit Kronprin getraut — rich August von Sachsen die älteste Tochter aus der Ehe des Erzherzogs Ferdinand Salvator, Großherzog von Toscana, mit der Erz¬ herzogin Alice Prinzessin von Bourbon=Parma) in der Nacht vom 11. auf den 12. Dezember 1902 in einem anscheinend krankhaften Zustand (wo sie auf Besuch seelischer Erregung, Salzburg Abbruch aller Be¬ ihrer Eltern weilte) unter ziehungen zu ihren sächsischen Verwandten, plötz¬ lich verlassen und sich in das Ausland begeben habe. Es war wohl lange kein Geheimnis mehr daß Unterströmungen am sächsischen Hofe, die starre Hofetikette desselben und die pietistischen Neigungen einzelner Mitglieder desselben der lebenslustigen österreichischen Fürstin das Leben an jenem Hofe ziemlich schwer machten. So lange König Albert lebte, fand Kronprinzessin Louise in diesem Fürsten noch väterlichen Schutz und liebevolles Entgegenkommen; aber nach dem Tode dieses Fürsten war die Stellung der Kron¬ prinzessin — aus deren Ehe fünf Kinder ent¬ —in Dresden eine immen prossen waren schwierigere geworden. Trotzdem aber die keines¬ wegs glücklichen Beziehungen der Kronprinzessin zu ihren königlichen Verwandten nicht unbe¬ kannt waren, wirkte doch jene offizielle Mit¬ in ihrer eigen¬ teilung des Dresdener Journales verblüffend zu¬ artigen Form überraschend und gleich und die weitere Entwicklung der sächsischen Hofaffäre sollte noch weitere sensationelle Ent¬ hüllungen bringen. Die sächsische Kronprinzessin wie gesagt war seit 1. Dezember 1902 — auf Besuch bei ihren Eltern in Salzburg; in der Nacht vom 11. auf den 12. Dezember 1902 von verließ sie dann nächtlicher Weile, nur ihrem Bruder Erzherzog Leopold Ferdinand vor Toscana begleitet, die väterliche Wohnung und langte dann, nachdem sich den Flüchtlingen in München noch Frl. Wilhelmine Adamovic, die am 1. Mai 1877 geborene Tochter eines Brünner Postbeamten und die Braut des Erz¬ herzogs, und in Zürich André Giron, der französische Sprachlehrer der kronprinzlichen Von Kinder, angeschlossen hatten, in Genf ein und hier begaben sich dann die Kronprinzessin Zeit Giron nach Mentone, wo sie für kurze unter dem Namen Herr und Frau Andrée Gérart Aufenthalt nahmen, um dann wieder nach Gen zurückzukehren. Am 30. Dezember 1902 wurde vom König von Sachsen, nachdem der Kron¬ prinz die Absicht kundgegeben, die mit der Kron¬ prinzessin entstandene Eheirrung auf gerichtlichem Wege zum Austrage zu bringen, ein besonderes Gericht von sieben Richtern eingesetzt. An 29. Jänner 1903 veröffentlichte das „Dres¬ königliche Verord¬ dener Journal“ eine nung vom 14. Jänner 1903, laut welcher, nachdem die Kronprinzessin am 9. Jänner 1903 auf alle Rechte, die ihr auf Grund ihrer Stellung als Kronprinzessin von Sachsen bisher zuge¬ standen haben, in feierlicher Weise für immer verzichtet hat, der König hiezu seine Zustim¬ mung erteilte, so daß Kronprinzessin Luise von allen in der Zugehörigkeit zum sächsischen Königs¬ hause begründeten Rechten, Titeln und Würden von jetzt ausgeschlossen sei. Damit war die Kron¬ prinzessin mit Rücksicht auf die analoge kaiserliche Entschließung vom 27. Jänner 1903 familien= und namenlos geworden Anfangs Februar erkrankte der zweite Sohn Friedrich Chri¬ der Kronprinzessin, Prinz man an dessen Auf¬ stian, so schwer, das Der Besuch des totkranken kommen zweifelte. Kindes wurde der Mutter verweigert. Nachdem sich die Kronprinzessin von Giron getrennt und dieser in seine Heimat Belgien zurückgekehrt, zog sich die Kronprinzessin in die za. 30 Kilometer von Genf entfernte Nervenheilanstalt „La Metairie“ zurück. Am 11. Februar 1903 fällte der Sondergerichtshof in Dresden über die Klage des Kronprinzen ein Erkenntnis dahin daß die am 29. November 1891 geschlossene Ehe der Parteien wegen Ehebruches der Frau Be¬ klagten mit dem Sprachlehrer André Giron vom Bande geschieden werde und daß die Frau Beklagte die Schuld an der Scheidung trage Am 28. Februar 1903 verließ die geschiedene Kronprinzessin „La Metairie“ und übersiedelte nach Lindau am Bodensee. Am 1. März 1903 fand daselbst eine Zusammenkunft und die Ver¬ söhnung zwischen der Geschiedenen und ihren Mutter Alice Großherzogin von Toscana, statt. Am 4. Mai 1903 wurde die geschiedene Kron¬ prinzessin zu Lindau von einer Prinzessin ent¬ bunden, welche in der Taufe den Namen Anna Monica Pia erhielt. Am 12. Juni 1903 fand zu Lindau auch die Versöhnung zwischen dem Großherzog von Toscana und seiner Tochter statt Am 16. Juni 1903 verließ die geschiedene Kronprinzessin Lindau, um in dem der Gräfin Saint=Victor gehörigen Schloß Ronno (De¬ partement Rhöne, Frankreich) ständigen Auf¬ enthalt zu nehmen. Ueber Verleihung des Königs von Sachsen wird die geschiedene Kronprin¬ zessin nunmehr den Namen und Adelstitel einer Gräfin Montignoso (nach dem Namen eines Stammgutes der Familie Toscana) führen. Die im Juni 1903 (am 16. Juni fanden die Hauptwahlen statt) durchgeführten Reichs¬
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