jenen König Peter I., der seine Krone aus blut¬ befleckten Händen entgegennahm —denn seine Wahl geschah, als die am Königsmorde zunächst beteiligten Truppen, die Infanterie=Regimenter Nr. 6 und 7, unter Waffen standen! der nicht den Mut findet, die Königsmörder aus seinem Ministerium zu weisen und die Schreckens¬ tat zu sühnen. Das offizielle diplomatische Europa freilich hat den neuen König anerkannt und erklärt, die Er¬ eignisse der Belgrader Bartholomäusnacht seien eine intern Angelegenheit Serbiens, und eine Einmischung in dieselbe sei unzulässig —anders aber dachten die Völker, anders sprachen die Ver¬ treter der öffentlichen Meinung, die einstimmig nach Sühn riefen. So meinte die italienische „Patria „Europa würde eine Tat politischer Ehrlichkeit und Sittlichkeit vollführen, wenn es den Staat in welchem derartige Greueltaten ungestraft geschehen, aus dem Strome des völker¬ rechtlichen Verkehres ausschalten würde“. Die italienische „Tribuna“ aber schrieb: „Die bloße Anerkennung der vollendeten Tat würde den Königsmord künftighin als legitimes politisches Kampfmittel zulassen.“ Der russische Swjet“ sprach sich dahin aus, „daß, wenn König Peter I. dem Rechte zum Siege nicht verhelfe, Serbien als Glied der europäischen Staatenfamilie keine Zukunft habe. Die erste Pflicht des neuen Königs 7 sei die Bestrafung der Mörder. In Deutschlano schrieb die „Post“ aus Anlaß der Verzichtleistung des Königs Kärl von Rumänien auf die In¬ haberschaft des berüchtigten 6. Infanterie=Regi¬ — ments: „Die Täter sind gewöhnliche Verbrecher die die Todesstrafe verwirkt haben. Mit solchem Gesindel will niemand, auch nur mittelbar zu tun haben, und es ist durchaus begreiflich, daß der König von Rumänien die Inhaberschaft des 6. serbischen Infanterie=Regiments niederlegte, weil er nicht dulden kann, daß sein Königsname an der Spitze einer Mörderbande steht. Aber auch der neue König von Serbien wird sich mit den Mordgesellen beschäftigen müssen. Unzeitige Milde würde als Schwäche aufgefaßt werden und zu neuen Schandtaten ermutigen.“ Die „Kreuz¬ zeitung“ erklärte: „Der Abscheu, den alle Welt vor den serbischen Königsmördern empfindet, cheint in den Kreisen, die sich der Früchte des Verbrechens erfreuen, nicht recht erkannt zu werden; König Peter I. würde sonst gewiß nicht wagen, seine „Proklamation“ an das serbische Volk in einem Schweizer Blatte und in einer europäischen Kultursprache zu veröffentlichen. Er spricht darin von der Gnade Gottes“ die ihn auf den Thron berufen habe und für die er Gott zu danken für seine erste. Pflicht betrachte. Für das gesittete Empfinden ist das eine schwere Gotteslästerung.“ Und selbst in Serbien fand sich ein Blatt, die „Narodni list“, das den Mut hatte, zu fragen: „Ist es denn dem neuen König angenehm, daß man ihn mit Musik, Paukenschlag, Kanonenschüssen und Jubelruf em¬ pfängt, wo noch das Blut seines Vorgängers 69 Der Metropolit, der nicht trocken ist? .. . .. gestern der beste Freund Alexanders gewesen und dann die Rede gegen ihn hielt, ist nicht würdig ein Geistlicher zu sein, man sollte ihn in keine Kirche hineinlassen. Und nun noch ein Wort über den neuen Be¬ herrscher dieses glücklichen Landes, von dem der Tschechisch=Radikale Klofac noch am 9. Juni 1903, also zwei Tage vor dem Belgrader Königsmorde den Mut hatte, zu sagen, daß außer Montenegri kein Staat in Europa eine so rein nationale und demokratische Dynastie besitze, wie Serbien und daß kein Staat in Europa so ein natür¬ liches Verhältnis und so ein Band zwischen König und Volk wie Serbien habe. König Peter I. Karageorgievic ist der älteste Sohn des im Jahre 1842 auf den serbischen Fürstenthron berufenen und im Jahre 1856 Ale¬ wieder seiner Würde für verlustig erklärter Jahr 1846 rander Karageorgievic. Peter ist im 1883 in Belgrad geboren worden. Im Jahre einer vermählte er sich mit der PrinzessinZorka der Töchter des Fürsten von Montenegro, ist aber seither wieder Witwer geworden. Diesen Ehe entstammen drei noch lebende Kinder Georg, geboren 1887, Alexander, geboren 1888 und Helene, geboren 1884. Österreich-Angarn. Wie in den früheren Berichtsperioden hat auch in der vorliegenden eine Reihe froher und Ge¬ trauriger Ereignisse den Völkern Oesterreichs legenheit geboten, ihre Anhänglichkeit an dasan¬ gestammte Herrscherhaus, ihre Teilnahme für alles, was die Geschicke der kaiserlichen Famili betrifft, zu bekunden. Berichte Nachdem — wie aus dem vorjährigen ersichtlich — am 14. Juni 1902 die Verlobung der Erzherzogin Maria Annunziata mit dem Herzog Siegfried von Bayern stattgefunden hatte, wurde diese Verlobung im Monate August 1902 in beiderseitigem Einver¬ Im Oktober 1902 — ständnisse wieder gelöst. verlobte sich die Nichte des Kaisers, die am 7. Juli 1878 in der Villa Wartholz bei Reichenau als das jüngste Kind des Erzherzogs Karl Ludwig und der Erzherzogin Maria Theresia, geborene Erzherzogin Elisabeth Amalia mit dem als zweiter Sohn des erblichen Herrenhausmit¬ gliedes Alfred Prinzen von und zu Liechtenstein und dessen Gemahlin Henriette am 17. Juni 1869 zu Hollenegg in Steiermark geborenen Prinzen Aloisvon und zu Liechten stein. Am 18. April 1903 fand dann in der Hofburg die feierliche Renunziation der Erzher¬ zogin und am 20. April 1903 die Trauung des Brautpaares in der Hofburgpfarrkirche zu Wien sich die statt. Im Dezember 1902 verlobte Erzherzogin Maria Anna, die zweite Tochter des Erzherzogs Friedrich und der Erzherzogin Isabella mit dem Prinzen Elias von Parma. Die Braut wurde am 6. Jänner 1882
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